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Zoologie

Überschüssige Ameisenköniginnen werden zu Soldatinnen

Forscher entdecken überraschenden Rollenwechsel bei Blattschneiderameisen

Blattschneiderameise der Gattung Acromyrmex © Dr. Volker Nehring, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.

Auch Ameisenköniginnen können umschulen: Gelingt es einer jungen Königin der Gattung Acromyrmex nicht, eine eigenen Kolonie zu gründen, wird sie zu einer Kriegerin. Sie hilft fortan bei der Verteidigung und Pflege ihrer Mutterkolonie. Das hat ein internationales Forscherteam festgestellt. „Wir waren bei unseren Untersuchungen in Panama sehr überrascht, als wir bei Acromyrmex Königinnen fanden, die ihren Bau verteidigten“, sagt Erstautor Volker Nehring von der Universität Freiburg. Denn bei anderen Ameisenarten seien die Königinnen unumkehrbar auf die Fortpflanzung und die Produktion von Eiern spezialisiert. Gelinge es ihnen nicht, diese Aufgabe als Königin eines eigenen Volkes zu erfüllen, sterben sie. Jetzt habe man eine Ausnahme von dieser Regel entdeckt, berichten die Forscher im Fachmagazin „Current Biology“.

Normalerweise ist das Schicksal einer Ameisenkönigin vorgezeichnet: Von Geburt an ist sie dafür prädestiniert, eines Tages für den Fortbestand ihrer Art zu sorgen. Denn nur ihre Kaste kann sich fortpflanzen und Nachwuchs produzieren, Arbeiterinnen und Soldatinnen sind dagegen unfruchtbar. Ist eine junge Königin ausgewachsen, geht sie auf Hochzeitsflug und paart sich. Anschließend wirft sie ihre Flügel ab und gründet einen eigenen Staat. Nicht immer aber kommt eine Jungkönigin zum Hochzeitsflug, beispielsweise weil sie vorher ihre Flügel beschädigt oder verliert. Sie bleibt dann im Nest und stirbt normalerweise nach kurzer Zeit oder wird sogar von ihren Schwestern gefressen. Hierdurch wird die in ihrem Körper gespeicherte Energie wieder für die Kolonie nutzbar gemacht.

Bei den Blattschneiderameisen der Gattung Acromyrmex ist dies jedoch anders, wie die Forscher berichten. Verliert bei ihnen eine Jungkönigin ihre Flügel, bleibt sie am Leben und übernimmt Aufgaben einer Arbeiterin: Sie verteidigt das Nest gegen Angreifer und pflegt die Brut. „Es scheint, als wüssten diese Prinzessinnen, dass sie sich ohne Flügel niemals paaren und eine eigene Kolonie gründen können“, sagt Nehring. Deshalb bleibe ihnen nur, ihren unverletzten Schwestern zu helfen und bei Angriffen wie die sagenhaften Amazonen den Bau zu verteidigen.

Flügellose Jungköniginnen werden aggressiv

Die für Ameisenköniginnen ungewöhnliche Umschulung beobachteten die Forscher auch, als sie Jungköniginnen in einem Ameisenbau absichtlich die Flügel entfernten. Dadurch hätten die Ameisen ihre Verhalten geändert: Sie reagierten aggressiv auf den Geruch von Nestfremden. Das sei bei Jungköniginnen, die ihre Flügel noch besaßen, nur sehr selten der Fall, sagen die Wissenschaftler. Zudem zeigten die flügellosen Jungköniginnen ein Verhalten sehr ähnlich dem der Arbeiterinnen und kümmerten sich um Ameisenlarven. Ein solches Verhalten sei bisher nur von Ameisenvölkern bekannt, bei denen immer mehrere Königinnen in einem Stock leben und die keinen Hochzeitsflug durchführen. „Wir kennen aber keinen Fall bei Kolonien mit einer einzigen Königin“, sagen die Wissenschaftler.

Eine mögliche Erklärung für das ungewöhnliche Verhalten könnte nach Ansicht der Forscher die Ernährungsweise der Ameisen bieten. Acromyrmex-Blattschneiderameisen ernähren sich von einem Pilz, den sie in ihren Kolonien anbauen und den sie mit pflanzlichen Nährstoffen versorgen. „Wir vermuten, dass sie die Fähigkeit verloren haben, Fleisch zu verdauen und ihre Königinnen zu fressen und so zu recyceln“, sagt Nehring. Deshalb sei es für diese Arten offenbar ein evolutionärer Vorteil, wenn die unfruchtbaren Königinnen am Leben bleiben und sich anderweitig für die Kolonie nützlich machen. Fressen müssen die umgeschulten Jungköniginnen im Übrigen kaum, da sie von ihren körperlichen Reserven zehren und ihre eigene Flügelmuskulatur verdauen. (doi:10.1016/j.cub.2012.06.038)

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(Current Biology, 12.09.2012 – NPO)

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