Forscher haben einen weiteren Beleg für die hohe Intelligenz von Krähen gefunden: Die Rabenvögel besitzen die Fähigkeit, von einem Phänomen auf seine versteckte Ursache zu schließen. Sie begreifen, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen einem Stock, der sich scheinbar von selbst bewegt, und einem Menschen, der kurz darauf ein Versteck in der Nähe des Stocks verlässt. Das hat ein internationales Forscherteam in einem Experiment mit Neukaledonienkrähen herausgefunden. Bisher galt die Fähigkeit, solche Schlussfolgerungen zu ziehen, als reine Domäne des Menschen. Das habe man jetzt widerlegt, berichten die Forscher im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“.
„Stellen Sie sich vor, Sie blicken von oben auf einen Wald hinab und sehen, wie sich die Äste und Blätter eines Baumes bewegen, obwohl kein Wind weht“, erklären Alex Taylor von der University of Auckland in Neuseeland und seine Kollegen. Instinktiv verstehe der Mensch, dass es eine für ihn nicht sichtbare Ursache für dieses Phänomen geben müsse, beispielsweise einen Affen, der sich durch die Baumkronen schwingt und diese in Bewegung versetzt. Diese Fähigkeit, auf eine versteckte Ursache zu schließen, beherrschen Kinder bereits ab einem Alter von sieben bis zehn Monaten, wie die Forscher berichten. Ungeklärt sei aber bisher gewesen, ob auch ein Tier, beispielsweise ein Vogel, zu dieser Art von Schlussfolgerungen fähig sei.
Rabenvögel und speziell Krähen gelten als besonders intelligente Vögel. Sie sind sehr lernfähig und nutzen oft Werkzeuge, beispielsweise kleine Stöcke, um an ihr Futter zu kommen. Dabei wählen sie gezielt die geeigneten Stöckchen aus und knabbern sie sogar zur jeweils benötigten Form und Länge zurecht.
Mensch im Versteck
Für das Experiment lernten acht Neukaledonische Krähen (Corvus moneduloides) zunächst, Futter aus einem Kasten mit enger Öffnung herauszuangeln. Der Kasten stand dabei vor einem Vorhang, aus dem ein Stock herausragte. Im ersten Test-Durchgang betraten zwei Personen die Voliere, während der Vogel nach Futter angelte. Einer stellte sich offen neben den Tisch mit dem Kasten, bewegte sich aber nicht. Der zweite verschwand hinter dem Vorhang. Anschließend begann sich der aus der Vorhang ragende Stock hin und her zu bewegen. Die Krähen reagierten auf diese potenzielle Bedrohung verunsichert. Anschließend verließen beide Personen – für die Krähen gut sichtbar – die Voliere.