Methan aus schmelzenden Gashydraten tritt nicht erst seit Beginn des Klimawandels aus dem Meeresboden aus. Das zeigt eine Expedition von Meeresforschern vor die Küste Spitzbergens. Die dortigen Gasquellen sind offensichtlich schon seit Jahrhunderten aktiv, wie Verkrustungen um die Ausgasungen belegen. Die beobachteten Methan-Ausgasungen seien daher wahrscheinlich nicht auf menschlichen Einfluss zurückzuführen, sagen die Forscher.
Viereinhalb Wochen lang haben Meeresforscher aus Kiel zusammen mit Kollegen aus Bremen, aus Großbritannien, der Schweiz und Norwegen mit dem deutschen Forschungsschiff MARIA S. MERIAN Methanaustritte am Meeresboden vor der Küste Spitzbergens untersucht. Hintergrund für die Expedition waren Überlegungen, dass sich bei steigenden Wassertemperaturen im Meeresboden lagernde, eisähnliche Methanhydrate langsam auflösen könnten. „Das Methanhydrat ist nur bei sehr niedrigen Temperaturen und sehr hohem Druck stabil“, erklärt der wissenschaftliche Fahrtleiter Christian Berndt vom GEOMAR | Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.
Die Gasquellen vor Spitzbergen liegen ungefähr in der Wassertiefe, die die Grenze zwischen Stabilität und Auflösung des Methanhydrats bedeutet. „Deshalb lag die Vermutung nahe, dass bei den messbar steigenden Wassertemperaturen in der Arktis die Hydrate von oben her anfangen abzutauen“, so Berndt. Methan könnte dann ins Wasser oder gar in die Atmosphäre gelangen, wo es ein wesentlich stärkeres Treibhausgas als CO2 ist.
Mehrere hundert Jahre alte Krusten
Was die Forscher im Untersuchungsgebiet tatsächlich vorfanden, ergibt jedoch ein wesentlich differenzierteres Bild. Vor allem die Befürchtung, dass die Gasaustritte eine Folge der aktuellen Meerwassererwärmung sein könnten, scheint nicht zuzutreffen. Denn zumindest einige Gasquellen müssen schon länger aktiv sein. An ihnen fanden sich Karbonatkrusten, die entstehen, wenn Mikroorganismen das austretende Methan umwandeln. „Wir haben an einigen der Austrittstellen Krusten gefunden, die möglicherweise schon mehrere hundert Jahre alt sind. Diese Schätzung beruht zwar nur auf der Größe der Proben und Erfahrungswerten, wie schnell solche Krusten wachsen. Auf jeden Fall müssen die Methanquellen aber schon älter sein“, sagt Berndt. Das genaue Alter der Karbonate wird nun anhand gewonnener Proben in den Laboren am GEOMAR bestimmt.
„Genaueres können wir erst in einigen Monaten sagen, wenn die Daten analysiert wurden, aber die beobachteten Gasaustritte sind wahrscheinlich nicht auf menschlichen Einfluss zurückzuführen“, so Berndt. Stattdessen gibt es zwei andere Erklärungsmöglichkeiten: Entweder sind sie Symptome einer langfristigen Erwärmung oder sie stellen einen saisonalen Prozess dar, bei dem Gashydrate immer wieder schmelzen und neu entstehen.
Bakteriengemeinschaft ist ganz auf Methan eingestellt
Eine andere interessante Beobachtung der Expedition war, dass sich am Meeresboden eine bereits sehr aktive mikrobielle Gemeinschaft etabliert hat, die das Methan konsumiert. „Wir konnten sehr hohe Konzentrationen von Schwefelwasserstoff nachweisen, die ein Indiz für methanfressende Mikroben im Meeresboden darstellen, und haben mit JAGO typische Lebensgemeinschaften, wie wir sie von älteren Methanquellen kennen, entdeckt“, erklärt die ebenfalls an der Expedition beteiligte Mikrobiologin Tina Treude vom GEOMAR. „Methanfressende Mikroben wachsen nur recht langsam im Meeresboden und die hohe Aktivität deutet darauf hin, dass das Methan nicht erst seit kurzem aus dem Meeresboden steigt.“
Mehrere Stürme und Minusgrade – die Natur hat es nicht immer gut mit den Meeresforschern gemeint, die vom deutschen Forschungsschiff aus viereinhalb Wochen lang Gasquellen am Meeresboden vor der Küste Spitzbergens untersucht haben. Trotzdem sind die Teilnehmer nach der Rückkehr sehr zufrieden: „Wir haben viele Proben und Daten in dem betroffenen Gebiet sammeln können. Mit dem Tauchboot JAGO konnten wir uns sogar ein eigenes Bild vom Aussehen des Meeresbodens und der Gasquellen machen“, resümiert Berndt. Neben den Kieler Meeresforschern vom GEOMAR und vom Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“ waren auch Kollegen aus Bremen, aus der Schweiz, aus Großbritannien und aus Norwegen an den Arbeiten beteiligt. „Das System Erde zu verstehen, ist eine Herausforderung, die nur in internationaler Kooperation funktioniert“, betont Berndt. Auch die weitere Auswertung der gewonnenen Daten wird in enger internationaler Zusammenarbeit erfolgen.
(GEOMAR | Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, 21.09.2012 – NPO)