Archäologie

Bronzezeit-Menschen webten Stoffe aus Brennesseln

2.800 Jahre altes Grabtuch wirft neues Licht auf prähistorische Textilherstellung

2.800 Jahre altes Gewebe aus dem Bronzezeit-Grab von Lusehøj in Dänemark; die Fäden des Stoffes bestehen aus Brennnesselfasern. © The National Museum of Denmark

Das 2.800 Jahre alte Grab eines reichen Dänen aus der Bronzezeit überrascht die Archäologen: Denn eine neue Untersuchung enthüllt, dass die Überreste des Toten in einen aus Brennnesseln gewobenen Stoff gehüllt worden waren. Die Brennnesseln dafür stammen zudem nicht aus Dänemark, sondern aus der mehr als 1.000 Kilometer entfernten Steiermark in den Alpen. Das zeige die Analyse von Strontium-Isotopen in den Pflanzenfasern, berichten Bodil Holst von der Universität von Bergen und seine Kollegen im Fachmagazin „Scientific Records“. Die Wildpflanze Brennnessel habe demnach in der Bronzezeit eine unerwartet wichtige Rolle für die Textilherstellung gespielt. Stoffe aus diesem Material seien offenbar sogar über große Entfernungen hinweg transportiert worden.

Das analysierte Textilgewebe stammt aus einem bereits 1861 nahe dem Ort Voldtofte entdeckten prähistorischen Grab von Lusehøj. Dieses gilt wegen seiner zahleichen Grabbeigaben und einer aufwändigen Bronzeurne als einer der reichhaltigsten Bronzezeit-Funde in ganz Dänemark, wie die Forscher berichten. Vorherige Untersuchungen hatten bereits ergeben, dass die Urne aus dem Alpenraum stammen musste – damals eine der Regionen, die Bronze förderten und exportierten. „Die Dänen erhielten das Metall aus Mitteleuropa und die Importe wurden durch reiche und mächtige Männer kontrolliert“, erklärt Mitautorin Ulla Mannering vom Nationalmuseum von Dänemark in Kopenhagen. Der Tote könne durchaus einer dieser Importeure gewesen sein.

Die Überreste des Toten – vornehmlich Knochen – waren damals in den Brennnesselstoff gewickelt worden, bevor sie in die Urne kamen. Ob der Stoff aus Flachs gewebt worden war oder aus einem anderen Material, sei zuvor unklar gewesen, sagen die Forscher. Daher habe man das Gewebe nun mikroskopisch und mit Hilfe von Isotopen-Analysen erneut untersucht. „Wir haben Kalzium-Oxalat-Kristalle in den Fasern gefunden und eine charakteristische S-Form der Faserwindungen“, berichten Holst und seine Kollegen. Dies belege eindeutig, dass der Lusehøj-Stoff aus Brennesselfasern bestehe.

Gegenstände aus dem Brozezeitgrab von Lusehøj in Dänemark: oben Reste der bronzenen Urne, unten kleinere Bronzeobjekte und Bernsteinklumpen. © The National Museum of Denmark

Stoffe auch aus Wildpflanzen

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Stoffe in der Bronzezeit nicht nur aus Kulturpflanzen wie Flachs oder Hanf hergestellt wurden, sondern auch aus Wildpflanzen“, schreiben die Forscher. Das werfe ein völlig neues Licht auf bisherige Annahmen zur damaligen Textilherstellung. Bisher sei man davon ausgegangen, dass die Bronzezeitmenschen ihre Kleidung aus lokal verfügbaren und selbst produzierten Rohstoffen herstellten. Wurde in einer Region Flachs angebaut, webten die Menschen ihre Stoffe vornehmlich aus diesem Material, wurden Schafe gezüchtet oder Hanf angebaut, bestand die Kleidung aus diesen Rohstoffen. Wildpflanzen, so glaubte man, seien nach Beginn der Landwirtschaft kaum noch verwendet worden. Doch die neuen Ergebnisse widerlegten diese Vorstellung, meinen die Forscher.

„Die Brennesselfasern des Gewebes stammen eindeutig aus der Steiermark“, erklären Holst und seine Kollegen. Das zeige die Analyse der Strontium-Isotope in den Fasern. Weil das Element Strontium von Pflanzen aus Wasser und Boden aufgenommen wird, verrät die jeweilige Zusammensetzung der Strontium-Isotope, woher ein Pflanzenmaterial kommt. Man wisse aber, dass die Menschen in der Steiermark zur damaligen Zeit, etwa 800 vor Christus, bereits Flachs anbauten, berichten die Wissenschaftler. Offenbar seien dort aber trotzdem wilde Brennnesselpflanzen gesammelt und zu Stoff verarbeitet worden. „Offenbar zog man sie dem Flachs für diesen Zweck vor“, sagen die Forscher. Das zeige, dass die Bronzezeit-Menschen nicht einfach nutzten, was gerade da war, sondern bewusst ihr Material so auswählten, dass sie bestimmte Stoffqualitäten erhielten. (doi:10.1038/srep00664)

(Scientific Records / University of Copenhagen, 01.10.2012 – NPO)

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