Neurobiologie

Forscher erzeugen Tourette-Ticks bei Gesunden

Experiment liefert neue Hinweise zum Auslöser der unwillkürlichen Bewegungen und Laute

Auch Gesunde können plötzlich die seltsamen Ticks und Bewegungen von Tourette-Kranken entwickeln – wenn ein bestimmtes Areal ihres Gehirns durch Magnetfelder gereizt wird. Das zeigt ein Experiment von Forschern der Universität Düsseldorf und Kollegen aus Hamburg und Melbourne. Sie hatten untersucht, wo im Gehirn das beim Tourette-Syndrom häufige Echophänomen ausgelöst wird, eine Sonderform der Ticks. Bei dieser ahmen die Betroffenen unwillkürlich Bewegungen und Laute anderer Menschen nach. Dieses Verhalten konnten die Forscher im Experiment auch bei ihren gesunden Probanden auslösen, wenn sie ein an der Bewegungssteuerung beteiligtes Hirnareal reizten. Dieses Ergebnis deute darauf hin, dass dieses Hirnzentrum nicht nur Ticks, sondern auch das Echophänomen auslöse, berichten die Forscher im Fachmagazin „Cortex“.

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Diese Erkenntnis könnte dazu beitragen, das Tourette-Syndrom besser zu verstehen und damit zukünftig auch Menschen mit dieser Störung besser behandeln zu können. In Deutschland sind nach Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zwischen rund 300.000 bis 500.000 Erwachsene vom Tourette-Syndrom betroffen.

Menschen, die am Tourette-Syndrom leiden, führen häufig schnelle, unwillkürliche Bewegungen aus: Sie zucken beispielsweise mit der Schulter, reißen den Arm hoch oder nicken mit dem Kopf, ohne dass sie diese Bewegungen kontrollieren können. Einige dieser Bewegungen und auch Laute ahmen das Verhalten anderer Menschen nach, die sich gerade im Blickfeld des Betroffenen befinden.

„Die Ursachen und Mechanismen dieses Echophänomens sind bisher kaum untersucht worden“, erklären Jennifer Finis von der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf und ihre Kollegen. Man wisse zwar, dass die sogenannte supplementär-motorische Rinde (SMA), ein an der Bewegungssteuerung beteiligter Hirnbereich, für die normalen Ticks eine Rolle spiele. Ob aber auch die Tourette-typische Nachahmung von Lauten und Bewegungen dort ihren Ursprung habe oder auf einen anderen Mechanismus zurückgehe, sei bisher ungeklärt.

Magnetfelder als Stimulanz und Störfaktor

Für ihre Studie unterzogen die Forscher 30 gesunde Freiwillige einer sogenannten transkraniellen Magnetstimulation (TMS). Eine an den Kopf gehaltene Sonde sendet dabei wiederholt starke Magnetpulse aus. Je nach Dauer der Pulse regen diese entweder die Aktivität des angepeilten Gehirnbereichs an oder aber legen sie lahm. Bei 15 Probanden stimulierten die Forscher durch diese Methode die supplementär-motorische Rinde, bei den restlichen 15 störten sie deren Funktion. Jeweils vor und nach der TMS zeigten die Forscher den Probanden drei verschiedene Videoclips, in denen ein Mensch eine spontane Bewegung durchführte – beispielsweise eine Augenbraue hob, mit dem Mund zuckte oder die Augen bewegte. Die Reaktionen der Teilnehmer wurden mittels Kamera gefilmt und hinterher ausgewertet.

Das Ergebnis: Die Probanden, deren SMA stimuliert worden war, ahmten die im Video gesehen Bewegungen häufig unwillkürlich nach – sie imitierten die Aktionen dreimal so häufig wie vor der Stimulation. Bei den Teilnehmern, bei denen die Funktion dieses Hirnareals blockiert wurde, änderte sich dagegen nichts. Das Experiment liefere damit erste Hinweise darauf, dass das SMA tatsächlich an beiden Tickformen beteiligt sei, sagen die Forscher. Als nächstes wollen sie testen, ob sich mit der transkraniellen Magnetstimulation möglicherweise die Ticks und Echophänomene bei Tourette-Patienten mildern lassen. (doi:10.1016/j.cortex.2012.08.019)

(Cortex, 31.10.2012 – NPO)

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