Ein Elefantenbulle im Everland Zoo in Südkorea kann koreanische Wörter sprechen: Steckt er sich den Rüssel ins Maul, bringt er Laute hervor, die denen der menschlichen Sprache so gut entsprechen, dass sie ohne Probleme verstanden werden. Damit nutze der Koshik getaufte Elefantenbulle eine sowohl für Elefanten als auch allgemein für Tiere völlig neue Technik der Tonerzeugung, berichtet ein internationales Forscherteam im Fachmagazin „Current Biology“. Das Vokabular des Rüsseltieres besteht bisher aus fünf Worten: den koreanischen Begriffen für Hallo, Sitz, Nein, Leg dich hin und Gut. Soweit die Wissenschaftler feststellen konnten, versteht Koshik dabei allerdings nicht, was er sagt.
Die Forscher vermuten, dass der Asiatische Elefantenbulle als Jungtier die menschlichen Laute von seinen Pflegern lernte. „Obwohl in Gefangenschaft lebende Elefanten von Geburt an ständig mit der menschlichen Sprache in Kontakt kommen, imitieren sie diese normalerweise nicht“, schreiben Angela Stoeger von der Universität Wien und ihre Kollegen. Das liege vermutlich daran, dass sie von Artgenossen umgeben seien und daher nicht auf die menschliche Beziehungen angewiesen. Koshik sei aber über Jahre allein, ohne Kontakt zu anderen Elefanten gehalten worden. „Wir vermuten, dass Koshik mit dem Imitieren begann, um die soziale Bindung zu seinen Pflegern zu stärken“, sagt Stoeger. In vielen Tierarten hätten erlernte Laute diese soziale Funktion – und in sehr seltenen Fällen geschehe dies auch über Artgrenzen hinweg.
Elefanten galten bisher nicht als besonders begabte Sprachimitatoren. Allerdings gebe es Berichte von Afrikanischen Elefanten, die Lastwagengeräusche nachahmen können, berichten die Forscher. In einem Zoo in Kasachstan soll zudem ein Elefantenbulle gelebt haben, der russische und kasachische Laute von sich gab. Dieser Fall sei aber nie wissenschaftlich belegt worden. Der koreanische Elefant Koshik lieferte den Wissenschaftlern nun die Gelegenheit, das Sprachtalent der Rüsseltiere genauer unter die Lupe zu nehmen.
Testhörer verstehen Tonaufnahme der Wörter
Um zu prüfen, ob die vom Elefantenbullen produzierte Sprache tatsächlich von Menschen verstanden werden kann, zeichneten die Forscher seine Laute auf. 47 dieser Tonaufnahmen spielten sie anschließen 16 Koreanern vor und baten sie, das Gehörte aufzuschreiben. „Wir haben eine hohe Übereinstimmung in Bezug auf die Bedeutung der gehörten Worte und selbst in deren Schreibweise gefunden“, sagt Stoeger. Die meisten Testhörer hätten die fünf Wörter, die der Elefant äußerte, auch verstanden.
Koshik ahmte dabei sowohl Klangfarbe als auch Tonhöhe der menschlichen Sprache akkurat nach. Die mit Maul und Rüssel erzeugten Töne unterschieden sich dabei deutlich von denen der normalen Elefantenrufe. Stattdessen imitiere er sowohl den Klang der Tonsilben als auch die Stimmlage seiner Trainer, berichten die Forscher. „Das ist bemerkenswert, wenn man die anatomischen Unterschiede des Stimmtrakts zu dem des Menschen berücksichtigt“, sagt Stoeger.
Wie die Forscher berichten, ist bei Elefanten die Oberlippe mit der Nase verschmolzen um den Rüssel zu bilden. Das schränkt die Beweglichkeit ihrer Lippen ein „Die Lippen zu spitzen, um ‚u‘ zu formen, ist ihnen unmöglich“, schreiben Stoeger und ihre Kollegen. Koshik umgehe diese Beschränkung, indem er den Rüssel zu Hilfe nehme. Er nutze die ins Maul gesteckte Rüsselspitze um die verschiedenen Vokale zu bilden. Ein solches Verhalten habe man bei einem Elefanten zuvor noch nie beobachtet. (doi:10.1016/j.cub.2012.09.022)
In dieser Tonaufnahme (Credits: Department für Kognitionsbiologie, Universität Wien) hört man erst den Trainer und dann den Elefantenbullen das Wort „Annyong“ sagen – Hallo auf Koreanisch.
In einer weiteren Tonaufnahme (Credits: Department für Kognitionsbiologie, Universität Wien) hört man erst den Trainer und dann den Elefantenbullen das koreanische Wort „nuo“ – „Leg dich hin“ sagen.
(Current Biology, 02.11.2012 – NPO)