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Genetik

Forscher finden Erreger antiker Pest

Genomsequenzen geben Aufschluss über Geschichte historischer Keime

Pestopfer und Prozession im Mittelalter © historische Darstellung

Vor etwa 1100 Jahren raffte eine tödliche Pandemie Menschen im oströmischen Reich dahin. Jetzt haben Forscher herausgefunden, welcher Erreger diese Seuche auslöste: Es handelt sich offenbar um das Pest-Bakterium, das auch in den Jahren 1347 bis 1351 als „Schwarzer Tod“ bekannt wurde und europaweit 25 Millionen Todesopfer forderte. Die Wissenschaftler der Universität Tübingen hatten für ihre Untersuchung mehr als 300 Stämme des als Bakteriums Yersinia pestis anhand von Mutationsanalysen untersucht. Sie filterten elf Stämme heraus, deren Entstehung offenbar deutlich weiter zurück liegt als die Epidemie im 14. Jahrhundert. Diese konnten in die Zeit der Justinianischen Pest, die im 8. bis 10. Jahrhundert ausbrach, datiert werden, so die Forscher im Fachmagazin „PLOS ONE“.

Der Tübinger Forschergruppe war es im letzten Jahr erstmals gelungen, das Genom von mittelalterlichen Yersinia pestis Bakterien, die aus Skeletten eines Londoner Pest- Friedhofs isoliert wurden, zu entschlüsseln. Die Forscher verfolgen das Ziel, die Beziehung zwischen alten und modernen Pestbakterien zu rekonstruieren um zu verstehen, welche Keime für welche Epidemien verantwortlich waren oder woher diese kamen. Da das Alter der mittelalterlichen Überreste aus London bekannt war, gelang mit einer Kombination aus Genomsequenzanalyse und historischen Daten, wie Berichten über Krankheitssymptome, in einer ersten Studie bereits die Identifizierung des Schwarzer-Tod-Erregers.

Die Geschichte der Keime

Seit Kurzem kann die Entwicklungsgeschichte von Krankheitskeimen durch Fortschritte in den DNA-Sequenzierungs-Technologien leichter verfolgt werden. Hierfür werden Proben aus archäologischen Funden, wie hier aus dem Londoner Pestfriedhof, isoliert, sequenziert und analysiert. Eine Besonderheit des Genoms, die als SNPs (Single-Nucleotide-Polymorphism) bezeichneten Regionen, helfen den Forschen dabei Einblick in die genetische Entwicklung von Organismen zu erlangen. Diese SNPS bestehen aus sich wiederholenden Genomabschnitten mit einer hohen Mutationsrate. Je nachdem, wie stark sich die untersuchten Genome in den SNP-Regionen unterscheiden, ist ihre Verwandtschaft größer oder kleiner. Deshalb erlauben es die Veränderungen in diesen Regionen Genetikern die evolutive Geschichte eines Genoms zurückzuverfolgen oder sogar voraussagen. Dazu nutzen sie, wie im Falle der Tübinger Forscher geschehen, nicht nur eigens sequenzierte Genome, sondern auch im Internet zugängliche Datenbanken mit bereits sequenzierter Genomen. So können sie mit einer größeren Datenmenge ihre Untersuchungen leichter präzisieren.

Yersinia pestis © CDC

In der neuen Studie verglich das Team um den Paläontogenetiker Johannes Krause das Erbgut der historischen Pest-Bakterien mit der Erbinformation aus 300 heutigen Yersinia Stämmen, die aus Nagetieren isoliert wurden. Dabei fanden sie elf Stämme des Erregers, die deutlich früher entstanden sein mussten als im 14. Jahrhundert. Die von ihnen berechneten Mutationsraten wiesen darauf hin, dass diese Stämme zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert genetisch abzweigten. In diesen Zeitraum fällt, historischen Quellen zufolge, auch der Ausbruch der Justinianischen Pest, die für den Zusammenbruch des oströmischen Reiches mitverantwortlich gemacht wird.

Vermutet hatten Historiker einen Zusammenhang zwischen spätantiken und der mittelalterlichen Beulenpest-Epidemie schon länger, doch fehlten bis jetzt die Belege hierfür. „Unsere neue Analyse deutet jetzt darauf hin, dass es in der späten Antike auch zu einem Beulenpest-Ausbruch kam“, erklärt Johannes Krause. “Es ist wahrscheinlich, dass es sich dabei um die Justinianische Pest handelt“, so der Genetiker weiter. Für einen abschließenden Beweis sei aber eine direkte Isolation der Erreger hilfreich, um deren Infektionspotential für den Menschen nachzuweisen, so die Forscher.

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(PLOS ONE, 29.11.2012 – KBE)

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