Neurobiologie

Alarmsystem warnt Fliegen vor Gift

Direkter Draht von Nase ins Hirn warnt Fruchtfliegen vor gefährlichen Futter

Fruchtfliege Drosophila © USDA

Fruchtfliegen besitzen ein ausgeklügeltes Alarmsystem, das sie vor verdorbenem Futter warnt: Ihre Riechorgane sind mit einer Direktleitung zum Gehirn ausgestattet, die die Anwesenheit eines ganz bestimmten Duftstoffs meldet. Das hat ein deutsch-schwedisches Forscherteam entdeckt. Das betreffende Geruchsmolekül wird ausschließlich von Mikroorganismen produziert, die für die Fliegen giftig sind. Für die Insekten ist es daher überlebenswichtig, sich von entsprechend verseuchten Futterquellen fernzuhalten.

Eine Meldung über die Direktleitung stoppt sofort alle aktuellen Tätigkeiten und löst eine Verhaltensveränderung aus: Die Fliegen erstarren mitten in der Bewegung oder ziehen sich zurück. Eine derart direkte Verbindung zwischen Sinneseindruck und höheren Schaltzentralen im Gehirn sei zuvor unbekannt gewesen, berichtet das Team um Marcus Stensmyr vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena im Fachmagazin „Cell“.

Erdige Duftnote

Bei dem Duftstoff handelt es sich um die Substanz Geosmin, die auch dem Menschen nicht unbekannt ist: Sie ist für den Geruch nach Erde verantwortlich ist, wie man ihn beispielsweise nach einem Regenguss wahrnimmt. Produziert wird sie nur von einigen wenigen Mikroorganismen, etwa Schimmelpilzen oder Bodenbakterien der Gattung Streptomyces. Genau diese Mikroben sind es auch, mit denen sich Drosophila-Fliegen häufig herumschlagen müssen. Denn die Insekten ernähren sich von Hefepilzen, die auf gärenden oder bereits faulenden Früchten wachsen – und genau dort lassen sich auch Schimmelpilze und Bakterien gerne nieder. Da letztere jedoch giftig für die Fliegen sind, müssen diese sehr genau abwägen, ob eine Frucht noch als Nahrungsquelle taugt oder ob sie sich lieber davon fernhalten.

Der Duftstoff Geosmin wird von Schimmelpilzen wie dem Penicillin abgegeben. © Cell Press /MPI für chemiosche Ökoligie / Stensmyr

Hilfe erhalten sie dabei offenbar von dem jetzt entdeckten supersensiblen Alarmsystem, wie Stensmyr und seine Kollegen zeigen konnten: Es springt an, sobald auch nur eine Spur von Geosmin in der Luft vorhanden ist. Wie es funktioniert, hat das Team mit Hilfe von lebenden Fliegen sowie durch elektrische Messungen und Zellkulturen mühsam aufgedröselt. Demnach ist lediglich ein einziger Nervenzelltyp in den Antennen der Fliegen für Geosmin zuständig. Dieser ist jedoch vollkommen auf den Duftstoff spezialisiert: Er besitzt einen einzigen Geruchs-Rezeptor-Typ, der ausschließlich auf Geosmin reagiert, wohingegen die meisten anderen Rezeptoren von einer ganzen Reihe Substanzen aktiviert werden können.

Was schimmelig und damit gefährlich ist, meiden die Fruchtfliegen © MPI für chemische Ökologie / Current Biology

Direktverbindung zur Verhaltenskontrolle

Auch die Weiterleitung des Signals verläuft höchst spezialisiert: Im Riechkolben ist ebenfalls ein ganz bestimmter Bereich für den Geosmin-Alarm reserviert, der dann, wiederum über einen einzigen Nervenzelltyp, in den Bereich des Gehirns weitergeleitet wird, der unter anderem das Verhalten der Fliegen kontrolliert. Der Reiz werde sozusagen direkt vorgelassen, von der Antenne ins Hirn, ohne irgendwelche Umwege oder Verzögerungen, erläutert das Team. In ihren Experimenten konnten die Forscher auch die Folgen demonstrieren, die eine Aktivierung des Systems hat: Sobald die Fliegen Geosmin wahrnahmen, stoppten sie sowohl die Nahrungssuche als auch den Versuch, ihre Eier abzulegen. Das galt selbst dann, wenn eine winzige Spur Geosmin einem verführerischen Duftcocktail beigemischt war, der auf eine reichhaltige Futterquelle hindeutete.

Obwohl es so ungewöhnlich ist und Forscher kaum etwas Vergleichbares kennen, scheint das Alarmsystem der Fliegen bereits sehr alt zu sein: Alle Vertreter der Gattung Drosophila, die die Wissenschaftler untersuchten, nutzen das gleiche Prinzip, um nicht aus Versehen verdorbenes Futter zu fressen. Demnach muss bereits der gemeinsame Vorfahr der heutigen Fliegen auf dieses System gesetzt haben, schlussfolgert das Team. (doi: 10.1016/j.cell.2012.09.046)

(Current Biology, 07.12.2012 – ILB)

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