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Biologie

Stoffwechsel funktioniert in großer Höhe anders

Mäuse aus dem Hochgebirge verbrennen mehr Kohlenhydrate statt Fett

Eine Blattohrmaus aus der Hochgebirgsregion der peruanischen Anden (Phyllotis andium). © Schippers et al., Current Biology

Nicht nur das Blut, auch der Energiestoffwechsel passt sich an ein Leben in großen Höhen an: Mäuse aus den Hochlagen der Anden verbrennen deutlich mehr Kohlenhydrate statt Fett, wie normalerweise üblich. Das zeigt die Studie eines internationalen Forscherteams. Diese Umstellung des Stoffwechsels setzt auch bei wenig Sauerstoff viel Energie frei – und hilft den Mäusen so, auch in der dünnen Luft der Hochgebirge zu überleben. Erstmals zeige sich damit, dass Tiere in großen Höhen auch ihren Stoffwechsel anpassen, indem sie ihn auf eine alternative Brennstoff-Nutzung umstellen, berichten die Forscher im Fachmagazin „Current Biology“.

Es sei gut möglich, dass es diese Anpassung auch bei anderen Tieren – und vielleicht auch Menschen – im Hochgebirge gebe. „Dies ist offenbar eine der Lösungen der Natur, um mit wenig Sauerstoff auszukommen“, sagt Studienleiter Grant McClelland von der McMaster University.

In 4.000 Metern Höhe enthält jeder Atemzug rund 40 Prozent weniger Sauerstoff als auf Meeresniveau. Das Atemgas wird aber dringend benötigt, um durch Verbrennung von energiereichen Verbindungen wie Fetten und Kohlenhydraten Energie für Muskeln und Organe zu erzeugen. Eine der Strategien, um trotz weniger Sauerstoff genauso viel Energie zu produzieren, sei es, den Anteil der Kohlenhydrate bei der Verbrennung zu erhöhen, erklären die Wissenschaftler. Denn pro Molekül Sauerstoff entstehe dabei 15 Prozent mehr Energie als bei der Fettverbrennung. Das in Hochgebirgen lebende Tiere deshalb mehr Kohlenhydrate verbrennen als normalerweise üblich, habe man schon seit 30 Jahren vermutet, ein Beleg dafür fehlte aber bisher, sagen die Forscher.

Fitnesstest für Mäuse

Für ihre Studie hatten die Forscher vier verschiedene Arten von Blattohrmäusen (Phyllotis) aus Peru untersucht. Zwei von ihnen leben in 4.000 bis 4.500 Metern Höhe in den Hochlagen der Anden, die beiden anderen am Fuß der Berge, 100 bis 300 Meter über dem Meeresspiegel. In einem ersten Test absolvierten alle Tiere einen Fitnesstest, bei dem sie mit 75 Prozent ihrer maximalen Leistung rennen mussten. Dabei wurden ihr Sauerstoffverbrauch und ihr Kohlendioxidausstoß gemessen. Aus dem Verhältnis beider lässt sich ermitteln, über welche chemischen Reaktionen der Sauerstoff im Körper der Tiere verbrannt wird.

„Die Mäuse aus den Hochlagen gewannen einen größeren Teil ihrer Energie aus der Verbrennung von Kohlenhydraten als die Arten aus tieferen Lagen“, berichten McClelland und seine Kollegen über die Ergebnisse. Zudem verarbeite ihr Herzmuskel Sauerstoff effektiver und nehme vermehrt Blutzucker auf. Beides mache Stoffwechsel und Kreislauftätigkeit unter Sauerstoffmangel effektiver.

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Dass die Anpassung des Stoffwechsel auch eine Schattenseite hat, zeigte sich allerdings in einem Ausdauertest: Unter normalem Sauerstoffgehalt seien die Hochland-Mäuse doppelt so schnell ermüdet wie diejenigen aus dem Tiefland, berichten die Forscher. Das liege wahrscheinlich daran, dass die verstärkte Verbrennung von Kohlenhydraten die Stärkevorräte im Körper schneller aufbrauche. Die Stoffwechsel-Anpassung an den Sauerstoffmangel gehe demnach mit verringerter Ausdauer einher. Für die Andenmäuse sei das aber wenig problematisch, denn bei der Suche nach Nahrung, der Flucht vor Feinden oder der Verteidigung ihres Reviers wechselten sich typischerweise nur kurze Phasen intensiver Anstrengung mit Ruhephasen ab. Für sie war es daher vermutlich ein lohnender Kompromiss, kurzzeitig viel Energie zu produzieren, wenn auch auf Kosten der längerfristigen Energiereserven (doi:10.1016/j.cub.2012.10.043).

(Current Biology, 10.12.2012 – NPO)

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