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Archäologie

Käse gab es schon vor 7.000 Jahren

Fettreste in steinzeitlichen Siebgefäßen aus Polen liefern frühesten Beleg für die Käseherstellung

Reifende Käseleiber, wie wir sie heute kennen. © SXC

Schon vor mehr als 7.000 Jahren produzierten unsere Vorfahren in Mitteleuropa Käse. Sie nutzten siebartig durchbrochene Tontöpfe, um geronnene Milch von der Molke zu trennen. Das hat ein internationales Forscherteam herausgefunden, als es Fettrückstände in steinzeitlichen Siebgefäßen aus Polen analysierte. Die Ergebnisse lieferten erstmals einen eindeutigen Beleg, dass diese Töpfe tatsächlich bereits zur Käseherstellung genutzt wurden – und dass die frühen Bauern in Nord- und Mitteleuropa auf diese Weise die Milch zu nahrhaften und laktosearmen Lebensmitteln verarbeiteten, berichten die Forscher im Fachmagazin „Nature“.

„Das Aufkommen von Milchwirtschaft und Käserei war ein entscheidender Schritt in der frühen Landwirtschaft“, erklären Melanie Salque von der University of Bristol und ihre Kollegen. Denn durch Käse und Butter konnten die Menschen erstmals Lebensmittel mit viel Fett und tierischem Eiweiß herstellen, ohne dafür gleich ein Tier schlachten zu müssen. Zudem konnte damit Milch in eine haltbare und leicht transportable Form gebracht werden. Die Käseerzeugung ist allerdings ein technisch komplexer Prozess. Zuerst muss die Milch zur Gerinnung gebracht werden, entweder durch Enzyme oder Ansäuern, beispielsweise mit Hilfe von Milchsäurebakterien. Die dann entstehenden Klumpen – die vor allem aus dem Eiweiß Kasein und Milchfett bestehen – müssen dann von der flüssigen Molke abgetrennt werden. Dies geschieht durch absieben und pressen.

Wann aber der Mensch diese Abläufe erstmals entwickelte und auf diese Weise den ersten Käse herstellte, sei bisher unbekannt gewesen, erklären die Forscher. Zwar hat man vor einiger Zeit in Anatolien schon Gefäße mit Milchresten gefunden. Bei diesen blieb aber unklar, ob es sich tatsächlich um Käse handelte oder um ein anderes Milchprodukt. Auch siebartige Tongefäße habe man schon an verschiedenen Orten Europas gefunden, meist im Zusammenhang mit der Kultur der sogenannten Linearbandkeramik. Wozu aber diese Siebe dienten, ließ sich aber ebenfalls nicht eindeutig feststellen. „Einige haben vermutet, dass diese Siebe zur Honigherstellung dienten, als Feuerabdeckung oder aber beim Bierbrauen eingesetzt wurden“, sagen Salque und ihre Kollegen.

Tonscherben mit Löchern und Fettresten

Eine eindeutige Antwort ermöglichen nun die Bruchstücke von 34 Siebgefäßen, die in der Nähe der Weichsel gefunden wurden. „An 40 Prozent dieser Gefäßscherben fanden wir Fettrückstände“, berichten die Forscher. Anhand der in diesen Resten enthaltenen Kohlenstoffisotope konnten sie feststellen, dass es bei allen bis auf einen um Relikte von Milchfetten handelte. Datierungen ergaben, dass die Gefäße bereits vor rund 7.200 bis 6.900 Jahren im Einsatz waren. „Die spezifischen Merkmale der Gefäße, darunter die zufällig verteilen Löcher und die Präsenz von konzentriertem Milchfett sprechen dafür, dass die steinzeitlichen Bauern diese zur Käseherstellung nutzten“, sagen die Forscher.

Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte die Käseproduktion den Bewohners Nord- und Mitteleuropas noch einen weiteren Vorteil gebracht haben: Denn Menschen in dieser Region waren damals größtenteils Laktose-intolerant – sie konnten den Milchzucker nicht verdauen. Tranken sie pure Milch in größeren Mengen, waren Bauchkrämpfe, Blähungen und Durchfälle die Folge. Da bei der Käseherstellung ein Großteil der Laktose mit der Molke abfließt, machte die damals neue Technik die Milch für die Steinzeitmenschen in unserer Gegend deutlich besser verdaulich. (doi:10.1038/nature11698)

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(Nature, 13.12.2012 – NPO)

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