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Genetik

Australien: Inder als steinzeitliche Einwanderer

Australiens Ureinwohner entwickelten sich weniger isoliert als bisher gedacht

Felszeichnungen früher Aborigines in West-Australien © TimJN1/ CC-by-sa 2.0 us

Australiens Ureinwohner entwickelten sich weniger isoliert als bisher gedacht: Statt zehntausende von Jahren ohne Kontakt zur Außenwelt zu leben, erhielten sie vor rund 3.200 Jahren Besuch – aus Indien. Das hat ein internationales Forscherteam anhand von Genanalysen herausgefunden. Die indischen Einwanderer hinterließen nicht nur ihre Spuren in den Genen der Aborigines, ihre Präsenz erklärt auch, warum sich damals die Kultur der Ureinwohner deutlich wandelte, wie die Forscher im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ berichten.

Die Geschichte der Ureinwohner Australiens reicht gut 45.000 Jahre zurück. Damals wanderten ihre Vorfahren aus Afrika über Asien in das heutige Gebiet Indonesiens und Australiens ein. Diese erste Einwanderungswelle nach Australien war nach bisher gängiger Annahme auch die letzte vor der Ankunft der Europäer. Die Aborigines, so die Lehrmeinung, blieben über zehntausende von Jahren unter sich und entwickelten ihre Kultur weitgehend isoliert von der Außenwelt. „Nach vorherrschender Ansicht gab es nur wenig, wenn überhaupt Kontakt zwischen Australien und dem Rest der Welt, bis im 18. Jahrhundert die ersten Europäer kamen“, erklären Irina Pugach vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und ihre Kollegen.

Dingos und ein rätselhafter Kulturwandel

Doch ganz sicher war man sich nicht. Denn zumindest in der Tierwelt gab es ein eindeutiges Indiz für einen Kontakt nach außen: Vor rund 4.000 Jahren tauchten erstmals Dingos in Australien auf. Diese von Haushunden abstammenden Räuber waren in der ansonsten von Beuteltieren dominierten Fauna echte Exoten – und mussten daher eingewandert sein. Und auch in der Kultur der Vorfahren der heutigen Aborigines gab es vor rund 4.200 Jahren einen deutlichen Wandel: Sie begannen plötzlich, andere Steinwerkzeuge herzustellen. Statt grober Keile fertigten sie nun auch feine Mikroklingen. Und auch ihre Pflanzennahrung bereiteten sie nun anders zu als vorher. Aber warum?

Heutige Aborigines tragen noch immer Spuren indischer Gene in sich. © Cicely Binford / CC-by-sa 2.0 us

Pugach und ihre Kollegen habe nun in den Genen der Aborigines nach einer möglichen Erklärung für diesen plötzlichen Wandel gesucht. Denn vielleicht, so ihre Vermutung, hat es ja zu dieser Zeit doch einen Kontakt mit der Außenwelt gegeben. Um dies zu klären, durchmusterten die Forscher das Erbgut der Aborigines noch einmal gezielt nach Spuren fremder Gene. Sie verglichen dafür das Muster von Punktmutationen – Veränderungen einzelner Buchstaben im genetischen Code – von Aborigines mit dem von Menschen aus anderen Gegenden der Erde. Als Vergleichsgruppen dienten dabei sowohl Bewohner Neuguineas, verschiedener Inseln Südostasiens und Indien als auch Chinesen, Europäer und ein afrikanischer Volksstamm.

Auffällige genetische Übereinstimmungen

Das überraschende Ergebnis: Zwischen Aborigines und Indern gab es bei einem Teil des Mutationsmusters auffällige Übereinstimmungen, wie die Analysen ergaben. Bei anderen Bevölkerungsgruppen tauchte dieses Muster dagegen nicht auf. „Dies deutet auf einen Genfluss von Indien nach Australien hin“, konstatieren die Forscher. Menschen indischer Abstammung müssen demnach einst auf den fünften Kontinent gelangt sein und sich dann mit einheimischen Aborigines vermischt haben. Dieser Fund widerspricht der bisherigen Annahme, nach der sich Australiens Ureinwohner über zehntausende von Jahren hinweg völlig isoliert von der Außenwelt entwickelt haben.

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Wann die Inder nach ihrem lang Weg über Indonesien in Australien ankamen, konnten die Wissenschaftler ebenfalls aus ihren Mutationsdaten herauslesen. Denn die Geschwindigkeit, mit der sich das Erbgut durch Kopierfehler und andere Mutationen verändert, ist relativ stabil und bekannt. Anhand kleiner Unterschiede im Mutationsmuster der Inder und Australier errechneten die Forscher, dass die Einwanderung vor rund 141 Generationen erfolgt sein muss. „Nimmt man eine Generationszeit von etwa 30 Jahren an, ereignete sich der Genaustausch zwischen Indien und Australien daher vor rund 4.230 Jahren“, berichten Pugach und ihre Kollegen.

Dies trifft zeitlich ziemlich genau mit der Zeit zusammen, in der sich die Kultur der Aborigines deutlich veränderte. Nach Meinung der Forscher ist das kein Zufall. Die Einwanderer brachten damals offensichtlich nicht nur ihre Gene, sondern auch ihr Wissen und ihre Kultur mit in die neue Heimat – und teilten beides mit ihren neuen Nachbarn. (Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), doi: 10.1073/pnas.1211927110)

(PNAS, 15.01.2013 – NPO)

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