Neurobiologie

Auch Krebse fühlen Schmerz

Studie liefert weitere Hinweise auf Leidensfähigkeit von wirbellosen Tieren

Die Fotografie zeigt ein Exemplar der Strandkrabbe Carcinus maenas. © Hans Hillewaert/ CC-by-sa 3.0

Könnten Hummer schreien, würden sie es sicher tun, wenn sie ins heiße Wasser geworfen werden. Davon ist zumindest der nordirische Forscher Bob Elwood überzeugt. Er untersucht seit Jahren, ob Wirbellose, vor allem Krebse und Garnelen, Schmerzen spüren können. Sein neuestes Experiment mit Strandkrabben, denen er kleine Stromschläge versetzte, zeigt nun einmal mehr: Es deutet vieles darauf hin.

Tiere können nicht reden. Deswegen ist es schwierig, zu beurteilen, wie sie sich gerade fühlen und ob sie Schmerz verspüren. Bei Wirbeltieren wie Vögeln und Säugetieren werde daher nach Analogien gesucht, erläutert Elwood. Es gelte häufig die Annahme: Wenn sie sich in bestimmten Situationen, wie etwa nach einer Verletzung, ähnlich verhalten wie ein Mensch, sind vermutlich auch ihre Gefühle – Schmerz, Leid – mit denen des Menschen vergleichbar. Dies werde jedoch unverständlicherweise nicht auf wirbellose Tiere angewendet, obwohl diese häufig exakt die gleichen Verhaltensweisen zeigten.

Wer meidet, der fühlt

Zu diesen Verhaltensweisen gehört auch die Reaktion auf potenziell schmerzhafte Reize bei wirbellosen Tieren wie Hummern, Garnelen und Krabben. Dabei unterscheidet Elwood klar zwischen der Schmerzwahrnehmung per Schmerzrezeptor – eine instinktive, rein physiologische Reaktion – und dem Gefühlskonzept Schmerz. Dass Wirbellose über ersteres verfügten, sei mittlerweile erwiesen, erläutert der Wissenschaftler. Es sorge etwa dafür, dass sie bei einem schmerzhaften Reiz sofort zurückzucken.

Die zweite Kategorie ist schwieriger nachzuweisen. Elwood und viele seiner Kollegen setzen dazu auf das Konzept des Lernens. Denn sie definieren den gefühlten Schmerz als eine negative Erfahrung, die schützende und physiologische Reaktionen auslöst und aus der ein erlerntes Vermeidungsverhalten resultiert. Mit anderen Worten: Wenn ein Tier Situationen oder Objekte gezielt meidet, die ihm zuvor einmal schmerzhafte Blessuren zugefügt haben, kann es mit einer hohen Wahrscheinlichkeit tatsächlich Schmerzen spüren und auch darunter leiden.

Stromschlag als Test

Bei Garnelen und auch bei Einsiedlerkrebsen hat Elwood bereits gezeigt, dass diese Art des Lernens stattfindet. In seiner neuen Studie konzentrierte er sich nun auf Strandkrabben. Dabei stellte er sich die Frage, ob die Tiere so stark unter den Schmerzen leiden, dass sie sogar auf eine wertvolle Ressource verzichten, nur um die Schmerzen zu vermeiden. Er legte seinen Testkrabben dazu dünne Drähte um jeweils ein Bein, mit denen er ihnen leichte, mutmaßlich schmerzhafte Stromschläge zufügen konnte. Dann setzte er sie in ein hell erleuchtetes Aquarium, in dem es auf jeder Seite einen dunklen Unterschlupf gab – eindeutig der bevorzugte Aufenthaltsort der Krebse.

In der Studie selbst bekamen einige Krabben im Abstand von jeweils fünf Sekunden Stromschläge, sobald sie sich in einen der abgedunkelten Bereiche zurückzogen, andere wurden dagegen in Ruhe gelassen. Die Folge: Der größte Teil der geschockten Krebse lernte mit der Zeit, den Unterschlupf zu meiden, in dem sie die Stromschläge bekommen hatten – sie zogen sich entweder in den anderen zurück oder blieben sogar gleich in der hell erleuchteten Mitte des Aquariums. Dieses Verhalten entspreche fast exakt dem, das in Studien bei Wirbeltieren beobachtet worden sei, konstatiert Elwood.

Schmerzreaktion wie bei Wirbeltieren

Er räumt allerdings ein, dass die Ergebnisse alleine noch kein Beleg für ein echtes Schmerzempfinden bei den Krebsen seien. Berücksichtige man jedoch frühere Studien, ergebe sich ein klareres Bild. So wurde beispielsweise bereits gezeigt, dass Krebse nach einer schmerzhaften Injektion längere Zeit die behandelten Körperteile am Boden reiben – ein typisches Verhalten, das auch bei höheren Tieren vorkommt.

Insgesamt sei es daher an der Zeit, dass Fischerei und Nahrungsmittelindustrie ihren Umgang mit Krebsen, Garnelen und Hummern überdenken, betont Elwood. Er selbst geht mit gutem Beispiel voran: Obwohl es gesetzlich für Wirbellose nicht gefordert wird, hat er seinen Artikel mit einer „ethical note“ versehen, in der er bestätigt, seinen Versuchstieren so wenig Schmerz wie möglich zugefügt zu haben. Nach der Studie habe er zudem alle Tiere wieder freigelassen – an einem geeigneten Strand in der Nähe der Stelle, an der sie eingefangen worden waren. (The Journal of Experimental Biology, 2013; doi: 10.1242/jeb.070241)

(The Journal of Experimental Biology, 17.01.2013 – ILB)

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