Vor rund 1.200 Jahren könnte die Erde knapp einer kosmischen Katastrophe entgangen sein. Denn damals traf ein Schub energiereicher Strahlung unseren Planeten. Seine Spuren finden sich bis heute als Isotopensignatur in den Jahresringen von Bäumen aus dieser Zeit. Glück für die Erde: Die Quelle dieses Ausbruchs lag damals mehr als 3.000 Lichtjahre entfernt. Was aber genau damals die intensive Strahlung erzeugte, war bisher unklar. Astrophysiker der Universität Jena haben jetzt eine mögliche Erklärung gefunden.
Bereits im letzten Jahr hatte der japanische Forscher Fusa Miyake entdeckt, dass Jahresringe, die sich im Jahr 775 nach Christus bildeten, ungewöhnlich hohe Konzentrationen der normalerweise sehr seltenen Isotope Kohlenstoff-14 und Beryllium-10 enthielten. Miyake vermutete bereits, dass eine kurze Periode sehr starker kosmischer Strahlung dafür verantwortlich sein könnte. Denn diese Atomsorten entstehen, wenn die energiereiche Strahlung mit Stickstoffatomen in der Atmosphäre kollidiert und diese zerfallen lässt.
Weder Supernova noch Sonnensturm
Nach dieser Entdeckung setzte eine fieberhafte Suche nach möglichen Ursachen für einen solchen Strahlenausbruch ein. Der erste Verdacht fiel auf eine Supernova, die Explosion eines sterbenden Sterns. Tatsächlich stießen Forscher in einer angelsächsischen Chronik auf einen Hinweis auf ein „rotes Kruzifix“, das im Jahr 776 am Himmel zu sehen gewesen sein soll. Doch von einer Supernova müsste ein noch heute nachweisbarer Überrest in Form leuchtender Gase und einem Neutronenstern übrig bleiben. Ein solches Relikt im passenden Alter wurde aber nicht gefunden, wie Miyake berichtete. Und auch für eine andere mögliche Erklärung – einen besonders starken solaren Ausbruch – fehlten die Indizien. Denn ein solcher Sonnensturm geht mit besonders auffallenden Polarlichtern einher. In den historischen Aufzeichnungen aus dieser Zeit fehlte aber jeder Hinweis auf ein solches Phänomen.
Valeri Hambaryan und Ralph Neuhäuser vom Astrophysikalischen Institut der Universität Jena diskutieren nun in ihrer Studie einen weiteren möglichen Kandidaten: einen kurzen Gammastrahlenausbruch in unserer Galaxie. Bei einem solchen Ausbruch wird ein Puls extrem energiereicher Gammastrahlung ausgestoßen, aber so gut wie kein sichtbares Licht. Der Strahlungspuls dauert zudem typischerweise weniger als zwei Sekunden an. „Ein solches Ereignis ist kurz genug und energiereich genug, um die beobachteten Peaks von Kohlenstoff-14 und Beryllium-10 zu erzeugen“, erklären Hambaryan und Neuhäuser. Der Mangel an sichtbarem Licht würde zudem erklären, warum es keine zeitgenössischen Berichte über ungewöhnliche Himmelsereignisse gibt.