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Neurobiologie

Multitasking: Wer’s kann tut’s nicht

Multitasking: Wer's kann tut's nicht

Wer meint, ein guter Multitasker zu sein, täuscht sich wahrscheinlich: Denn ausgerechnet diejenigen, die gerne und häufig mehrere Dinge gleichzeitig tun, sind darin nicht sonderlich gut. Sie neigen nur deshalb dazu, vieles parallel zu tun, weil sie sich leicht ablenken lassen. Menschen, bei denen die Multitasking-Fähigkeiten tatsächlich gut ausgeprägt sind, nutzen diese im Alltag dagegen eher selten, wie US-amerikanische Forscher im Fachmagazin „PloS ONE“ berichten.

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Die Fähigkeit zum Multitasking gilt heute meist als erstrebenswert und effizient. Wer mehrere Dinge gleichzeitig abarbeiten kann – E-Mails beantworten, telefonieren und nebenbei noch Termine koordinieren – soll besonders leistungsfähig sein. Dass das so nicht unbedingt stimmt, haben in letzter Zeit schon mehrere Studien angedeutet. Forscher der University of Utah haben nun untersucht, ob diejenigen, die sich für besonders multitaskingfähig halten, dies auch wirklich sind.

Mathe und Buchstaben zugleich

An der Studie des Teams um die Psychologen David Sanbonmatsu und David Strayer nahmen 310 Studenten teil. Diese sollten zunächst sollten in Fragebögen angeben, wie häufig sie beim Autofahren telefonieren und wie oft und für wie lange sie mehrere Medien – Druckerzeugnisse, Fernsehen, Videos, Musik, andere Audiomedien, Computerspiele, Telefone, SMS, E-Mails und Ähnliches – nutzen. Dann baten die Forscher sie, ihre persönliche Multitasking-Kompetenz auf einer Skala von eins bis hundert einzuschätzen, wobei ein Wert von 50 für den Durchschnitt stand. Zudem nahmen alle Probanden an einem einfachen Persönlichkeitstest teil.

Für den eigentlichen Test überprüften die Psychologen dann, wie gut die Studienteilnehmer tatsächlich mit einer Aufgabe zurechtkamen, in der Multitasking gefordert war. Dazu sollten sich die Teilnehmer zwei bis sieben Buchstaben merken sowie angeben, ob eine einfache Matheaufgabe, die jeweils zwischen zwei Buchstaben erschien, richtig oder falsch gelöst war. Ein Beispiel: „Ist 2+4=6?“, g, „Ist 3-2=2?“, a, „Ist 4×3=12?“ erforderte die Lösung richtig, g, falsch, a, richtig.

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Selbstbild täuscht

Das Ergebnis: Die Multitasking-Fähigkeiten der Probanden waren „signifikant negativ korreliert mit der tatsächlichen Nutzung von Medienmultitasking und Handybenutzung am Steuer“, berichten die Forscher. Will heißen: Diejenigen, die am besten bei dem Test abschnitten, waren diejenigen, die im Alltag am wenigsten dem Multitasking frönten – und umgekehrt. Gleichzeitig glaubten allerdings die Probanden, die besonders häufig im Auto telefonierten oder andere Dinge gleichzeitig taten, sie seien besonders gut darin.

Von der Persönlichkeitsstruktur her waren die gewohnheitsmäßigen Multitasker eher impulsiv veranlagt, verstärkt auf der Suche nach Abwechslung und Neuem, langweilten sich schneller und waren auch eher bereit, Risiken einzugehen. „Unsere Daten zeigen, dass Menschen mehrere Dinge gleichzeitig tun, weil sie Schwierigkeiten haben, sich voll auf eine Aufgabe zu konzentrieren“, resümiert Sanbonmatsu. Sie lassen sich daher auch leichter ablenken und fangen eher etwas an, obwohl sie die ursprüngliche Tätigkeit noch gar nicht beendet haben. Einige scheinen es zudem zu langweilig zu finden, nur eine Sache auf einmal zu tun. Sie multitasken, weil es stimulierender, anspruchsvoller und interessanter ist – selbst wenn es zu Lasten der allgemeinen Leistungsfähigkeit geht. (PloS ONE, 2013; doi:10.1371/journal.pone.0054402)

(PloS ONE, 24.01.2013 – ILB)

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