Eine ungewöhnliche Beziehung zwischen Meeressäugern haben Biologen vor den Azoren entdeckt: Eine Gruppe Pottwale scheint dort einen behinderten Delfin adoptiert zu haben. Die Wale schwimmen schwimmt in enger Gemeinschaft mit dem kleineren Tümmler umher, der an einer Rückenverkrümmung leidet. Was die Wale zu dieser Adoption bewegt hat, ist noch unklar, der Delfin profitiert von seiner „Wahlverwandtschaft“, weil er mit den Walen besser mithalten kann.
Das hatten die Verhaltensökologen vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) auch noch nicht gesehen: Als die vor den Azoren Pottwale beobachteten entdeckten sie mitten unter ihnen einen Delfin. Über mehrere Tage beobachteten die Forscher Alexander Wilson und Jens Krause, wie der Großer Tümmler in der Gruppe von Pottwalen mitschwamm. Der Delfin suchte den Kontakt zu den Meeresriesen und positionierte sich sogar direkt vor dem gigantischen Maul eines ausgewachsenen Pottwal-Weibchens – ein Verhalten, dass sonst Kälber und Jungtiere zeigen. Auch die Pottwale suchten Körperkontakt zu dem ungewöhnlichen Gruppenmitglied mit der verkrümmten Wirbelsäule.
„Diese Tiere tolerieren den Delfin. Das ist erstaunlich, denn Pottwale wurden bisher noch nie in freundlicher Interaktion mit anderen Arten beobachtet“, so Wilson. Die Forscher vermuten, dass sich der Delfin wegen seines Handicaps, der gekrümmten Wirbelsäule, der Pottwal-Gruppe angeschlossen hatte. In den Gewässern der Azoren gibt es zwar kaum Feinde für Große Tümmler, aber vielleicht konnte das Tier nicht mit den anderen Delfinen mithalten, oder hatte einen niedrigen sozialen Status.
Die Motivation der Pottwale, den Artfremden in ihre Clique aufzunehmen, ist dagegen unklar. „Man sollte nicht so weit gehen und von Mitleid sprechen – wir vermuten, dass die Großsäuger vielleicht einfach die Aufmerksamkeit des Delfins genießen“, erklärt Wilson. Die Beobachtungen und Fotos werden demnächst in der Zeitschrift „Aquatic Mammals“ veröffentlicht.
Ein Film auf Youtube zeigt die ungewöhnliche Gemeinschaft von Pottwalen und Delfin.
(Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), 28.01.2013 – NPO)