Das Klima steigt und die Ozeane versauern, doch kleinen, schalentragenden Einzellern in den Ozeanen kommt diese Veränderung gerade recht. Denn die Foraminiferen breiten sich zurzeit bereits rasant aus – und könnten in Zukunft Korallen als Kalkbildner ablösen. Das zeigt die Studie eines internationalen Forscherteams. Die von Kalkschalen umhüllten Winzlinge könnten damit zukünftig auch einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Küsten zu stabilisieren und gegen den Meeresspiegelanstieg zu schützen, berichten die Forscher im Fachmagazin „PLOS ONE“.
Manche sehen aus wie kleine Sternchen, andere ähneln löchrigem Käse, wieder andere erinnern an winzige Muscheln: Die zu den winzigen, einzelligen Foraminiferen zählenden Amphisteginen sind extrem häufig und außerordentlich formenreich. Die meisten der rund 10.000 Foraminiferenarten leben auf dem Meeresboden in den Tropen und Subtropen, sind von einer Kalkschale umgeben und werden nicht einmal so groß wie ein Sandkorn. Trotzdem sind die Winzlinge zu enormen Leistungen fähig: „Foraminiferen sind Ökosystem-Ingenieure“, sagt Martin Langer vom Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie der Universität Bonn. „Die Einzeller produzieren pro Jahr mit ihren Schalen bis zu zwei Kilogramm Kalk pro Quadratmeter Meeresboden und sind, nach den Korallen, die wichtigsten Sedimentproduzenten in tropischen Riffregionen.“
Die Verbreitung der winzigen Einzeller haben die Wissenschaftler der Universität Bonn gemeinsam mit ihren Kollegen des Zoologischen Forschungsmuseums Alexander Koenig, der Universität Trier und der Woods Hole Oceanographic Institution (USA) nun untersucht. Dabei erfassten sie in den letzten Jahren unter anderem die Verbreitung der Amphisteginen entlang der rund 9.000 Kilometer langen Küstenlinie vor Somalia, Kenia, Tansania, Mosambik, Südafrika, Namibia und Angola. „Das Vorkommen der Amphisteginen hängt entscheidend von der Temperatur sowie dem Salz- und Nährstoffgehalt der Ozeane ab“, sagt Langer. So brauchen die Einzeller Wassertemperaturen von mindestens 14 Grad Celsius.
300 Kilometer polwärts bis 2100
Mit den Daten aus den Geländeuntersuchungen entwickelten die Forscher ein Artverbreitungsmodell, das berechnet, wo die Amphisteginen unter bestimmten Umweltbedingungen vorkommen. Mithilfe von Klimamodellen prognostizierten die Wissenschaftler anschließend die künftige Verbreitung der kalkschaligen Einzeller. „Die Amphisteginen zählen zu den Profiteuren der steigenden Temperaturen durch den Klimawandel“, fasst Langer zusammen. Bis zum Jahr 2050 breiten sich die Kalk-Einzeller durch die erwärmten Ozeane nach den Modellen um 180 Kilometer polwärts aus – das entspricht etwa 1,6 Breitengrade. Bis zum Jahr 2100 erhöht sich die durchschnittliche Temperatur in den Ozeanen vorsichtig geschätzt um rund 2,5 Grad Celsius. Dementsprechend dringen die Amphisteginen fast 300 Kilometer – rund 2,5 Breitengrade – weiter in Richtung der Pole vor.