Evolution

Doppel-Alarm schützt uns vor Übersalzenem

Vor zu viel Salz warnt uns nicht der Salzrezeptor, sondern die Geschmacksknospen für sauer und bitter

Wie funktioniert der Geschmack? © SXC

Ob auf Chips, Salzstangen oder Pommes: Kleine Mengen Salz empfinden wir als lecker. Eine hochkonzentrierte Salzlösung dagegen ruft Abscheu hervor. Aber warum? Schuld ist eine raffinierte Verknüpfung unserer Geschmacksknospen: Haben wir zu viel Salz im Mund, springen auch die Sensoren für saure und bittere Substanzen an – und lösen den instinktiven Widerwillen aus, wie US-amerikanische Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.

Die fünf Geschmacksqualitäten, die nicht nur beim Menschen, sondern auch bei vielen Säugetieren vertreten sind, lassen sich grundsätzlich in zwei Kategorien einteilen: angenehm und unangenehm. Süß und das würzige umami werden prinzipiell als angenehm empfunden, während sauer und bitter abstoßend wirken. Der Geschmackseindruck „salzig“ nimmt jedoch eine Sonderstellung ein – er wandert mit steigender Salzkonzentration von der Schublade „angenehm“ in die Schublade „abstoßend“.

Auf der Suche nach der Wurzel des Übels

Wie das funktioniert, war lange unklar. Zwar wissen Forscher bereits seit längerem, dass ein bestimmter Ionenkanal in den Geschmacksknospen der Zunge für den leckeren Geschmackseindruck kleiner Salzmengen verantwortlich ist. Wie aber der abstoßende Effekt zustande kommt, konnten die Wissenschaftler erst jetzt zeigen – und das bisher auch nur bei Mäusen. Dazu hatten sie sich zunächst folgende Frage gestellt: Ist es möglich, ausschließlich den abstoßenden Effekt des Salzes zu blockieren, ohne dass der angenehme verlorengeht? Zumindest teilweise ist es das tatsächlich, zeigten verschiedene Tests. Denn als die Wissenschaftler den Mäusen einen Bestandteil von Senföl auf die Zungen strichen, nahm ihr Abscheu vor hohen Salzkonzentrationen deutlich ab.

Das Senföl blockierte die Arbeit von Zellen, die normalerweise bittere Geschmacksnoten registrieren und ans Gehirn melden, entdeckten die Forscher anschließend. Offenbar spielt also der Geschmackskanal „bitter“ eine der Hauptrollen für die Abneigung gegen hohe Salzkonzentrationen. Er scheint allerdings nur für etwa die Hälfte des Effekts verantwortlich zu sein, denn die Mäuse machten auch dann einen großen Bogen um konzentriertes Salzwasser, wenn die zuständigen Rezeptoren durch eine gentechnische Veränderung in ihrem Erbgut vollständig ausgeschaltet waren.

Bitter und sauer arbeiten zusammen

Wenn der eine Geschmackskanal für unangenehme Geschmacksnoten die eine Hälfte des Effekts erklärt, habe es nahegelegen, auch den anderen Kanal zu testen, erläutern die Forscher. Und tatsächlich: Auch die für Saures zuständigen Geschmackszellen wurden durch hohe Salzkonzentrationen aktiviert. Wurden sie ausgeschaltet, ließ sich ebenfalls eine um etwa die Hälfte reduzierte Nervenaktivität beim Konsum von Salzwasser messen – wieder ohne dass sich das Verhalten der Mäuse veränderte. Erst als die Wissenschaftler beide Kanäle stilllegten, verloren die Tiere ihre Abneigung gegen die extrem salzige Brühe. Sie seien im Gegenteil ganz begeistert davon gewesen und hätten fröhlich davon getrunken.

Zusammenfassend könne man also sagen, dass die Natur zwei bereits bestehende Geschmackskanäle für die Salzproblematik rekrutiert und damit eine doppelte Absicherung gegen einen Überschuss an Salz im Essen oder im Wasser geschaffen hat: Fällt nämlich einer der beiden Kanäle aus, reicht die Wirkung des anderen noch aus, um zu verhindern, dass das zu salzige Nahrungsmittel konsumiert wird. Jetzt müsse geprüft werden, ob das gleiche System auch beim Menschen verwendet wird.

Die Forscher haben übrigens auch eine Theorie dazu, warum sehr Salziges nicht nach einer Mischung aus bitter und sauer schmeckt: Für einen sauren Geschmackseindruck brauche es immer zwei Faktoren, die zusammenarbeiten – einen allgemeinen Säuredetektor und einen Sensor, der auf positiv geladene Teilchen reagiert. Im Fall von sauren Lebensmitteln springen beide an. Beim Salz sind jedoch nur die positiv geladenen Ionen vorhanden, der Säuredetektor bleibt also ausgeschaltet. Daher rufe viel Salz eher einen ionisch-metallischen Geschmack hervor als einen sauren.

(Nature, 14.02.2013 – ILB)

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