Bald könnte uns lästiges Tippen auf dem Smartphone erspart werden. Denn Wissenschaftler vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben jetzt ein System entwickelt, welches das Tippen auf der Minitastatur unnötig macht und uns stattdessen erlaubt, einfach mit der Hand in die Luft zu schreiben. An einem Handschuh oder Armband befestigte Sensoren zeichnen die Handbewegungen dabei auf. Ein Computersystem erfasst die wesentlichen Signale und übersetzt sie dann in Texte.
Sogenannte Wearable Computing-Anwendungen – Computersysteme, die sich wie Kleidung am Körper tragen und so nahtlos in den Alltag des Nutzers integrieren lassen – gewinnen in der Informationstechnologie zunehmend an Wichtigkeit. Die Steuerung über Gesten ermöglicht dabei neue, innovative Eingabeformen – insbesondere für mobile oder in die Kleidung integrierte Geräte. „Informationstechnologie nutzen wir jederzeit und überall, derzeitige Eingabegeräte wie Smartphones erfordern bislang noch das manuelle Tippen auf virtuellen Mini-Tastaturen und konzentrierte Aufmerksamkeit auf kleine Bildschirme, sagt Christoph Amma, der das System am Cognitive Systems Lab (CSL) des KIT entwickelt hat. Die Verwendung von Gesten als Eingabemethode soll so dem Nutzer noch weiter den Umgang mit seinem Computer oder Smartphone erleichtern. „Die Interaktion fügt sich nahtlos in alltägliche Handlungen ein“, so der Informatiker.
Sensoren erkennen charakteristische Schreibbewegungen
Der Airwriting-Handschuh erlaubt es, in die Luft zu schreiben wie auf eine unsichtbare Tafel oder einen unsichtbaren Block. Auf diese Weise bietet das System eine neue Schnittstelle für die Kommunikation über und mit dem Computer. Möglich machen das Beschleunigungs- und Drehratensensoren (Gyroskope), die an einem dünnen Handschuh befestigt sind. Die Sensoren erfassen die Bewegungen der Hand und übertragen sie über eine drahtlose Verbindung an ein Computersystem. Dieses prüft zunächst, ob der Nutzer überhaupt schreibt. „Alle nicht schriftähnlichen Bewegungen, wenn ich also beispielsweise koche, Wäsche wasche oder jemandem zuwinke, ignoriert es“, erklärt Amma. Auf diese Weise könne das System im Hintergrund laufen,
ohne jede Bewegung als Eingabe für den Computer zu interpretieren.
Schreibt der Nutzer dann, entschlüsselt das System die Schrift über spezielle Mustererkennung. Bisherige Forschungsansätze konzentrierten sich dabei vor allem auf das Erkennen einzelner, bestimmten Befehlen zugeordneter Gesten. Ammas Ansatz geht darüber hinaus: Für jeden Buchstaben des Alphabets ist in seinem System ein statistisches Modell des charakteristischen Signalverlaufs hinterlegt. Dieses berücksichtigt auch individuelle Unterschiede in der Schrift. Derzeit kann das System in Großbuchstaben geschriebene Sätze erkennen, die auf einem Vokabular von 8.000 Wörtern basieren. „Dabei hat es noch eine Fehlerrate von elf Prozent – passen wir das System an die individuelle Schreibweise seines Benutzers an, sinkt sie auf nur drei Prozent“, so Amma.
Anwendung in Mixed-Reality
Einen möglichen Einsatzbereich für sein System sieht der Informatiker in zukünftigen Mixed-Reality-Anwendungen: etwa in Brillen mit integrierten Miniaturbildschirmen, über die Nachrichten in das Sichtfeld des Nutzers eingeblendet werden. „Kombiniert man ein solches System mit der Möglichkeit, Kommandos und Texte durch Gesten einzugeben, ist es überhaupt nicht mehr notwendig, ein Gerät in der Hand zu halten“, sagt er.
Zurzeit arbeiten die Wissenschaftler daran, die Methoden zum Herausfiltern der Schrift weiter zu verfeinern. Zudem wollen sie das Gesamtsystem verkleinern, um Tragekomfort und Nutzerakzeptanz zu steigern. „Das wird mit handelsüblichen Bauteilen möglich sein. Denkbar wäre dann beispielsweise die Integration in ein unauffälliges Armband“, so Amma. Geplant sei zudem eine Integration des Systems in Smartphones, dann wäre beispielsweise zum Schreiben einer SMS weder das Armband noch die virtuelle Tastatur mehr notwendig.
(Karlsruher Institut für Technologie, 22.02.2013 – KBE)