Auf dem Mars gab es einst nicht nur Rinnsale und Ströme flüssigen Wassers, der Rote Planet erlebte auch gewaltige Sturzfluten, bei denen gigantische Mengen Grundwasser plötzlich aus dem Untergrund brachen. Als Spuren dieser Megafluten gelten sogenannte Ausfluss-Kanäle – verzweigte Gänge im Gestein, die in weite Flutebenenen an der Oberfläche münden. Eines dieser Kanalsysteme haben NASA-Forscher nun mithilfe von Radarmessungen genauer untersucht. Ihre im Fachmagazin „Science“ veröffentlichte 3D-Rekonstruktion gibt erstmals auch Auskunft darüber, woher die Wassermassen damals stammten.
Das Kanalsystem von Marte Vallis gehört zu den größten seiner Art auf dem Mars, es ist rund tausend Kilometer lang und breit. Zudem ist es noch sehr jung – geologisch gesehen: Nur rund 500 Millionen Jahre ist es her, dass eine Sturzflut dieses verzweigte Netz aus Gängen und Schluchten formte. Interessanterweise gilt diese Periode in der Vergangenheit des Roten Planeten eigentlich als eher kalt und trocken. Woher das Wasser stammte, das dieses System formte, ist eine spannende Frage – die sich aber bisher kaum beantworten ließ. Denn an der Oberfläche ist von der Form und Ausdehnung des Kanalsystems kaum mehr etwas zu sehen. Ein anhaltend heftiger Vulkanismus vor ein paar Millionen Jahren sorgte dafür, dass das gesamte System unter dicken Lavaschichten begraben wurde.
Blick unter die Lavamassen
Um unter die Lava blicken zu können, nutzen die Forscher Daten eines speziellen Radarinstruments an Bord der NASA-Sonde Mars Reconnaissance Orbiter. Dieses dringt zwar nicht tief in das Gestein ein, zeichnet dessen Struktur dafür aber hoher Genauigkeit auf. Anhand der Daten gelang es den Wissenschaftlern, die genaue Lage, Tiefe und Form der verschiedenen Kanäle in einem dreidimensionalen Modell zu rekonstruieren.
Aus dem Modell geht unter anderem hervor, dass das System aus einem mehr als 40 Kilometer breiten Hauptkanal besteht, der neben einer Art Sandbank verläuft. Diese ist 120 Kilometer breit und von zahlreichen Nebenkanälen und vier stromlinienförmig erodierten Inseln durchbrochen. „Die geomorphologische Konfiguration deutet darauf hin, dass das System mindestens zwei getrennte Phasen der Erosion durchlebte“, erklären Gareth Morgen von der Smithsonian Institution in Washington und seine Kollegen. Der erste Wasserschub schuf die vielen kleineren Läufe und die Inseln, der zweite konzentrierte sich auf den Hauptkanal.
Risse in der Kruste ließen gewaltigen Grundwassersee auslaufen
Noch viel wichtiger aber: Das Modell gibt auch erste Hinweise darauf, woher diese Wassermassen auf dem damals eigentlich trockenen Mars kamen. Aus der Neigung der Kanäle und ihrer Form ergibt sich, dass das Wasser aus Richtung der Cerberus Fossae geflossen sein muss. Diese Serie tiefer, fast paralleler Risse in der Marsoberfläche entstand vermutlich, als geologische Verschiebungen einst die obere Kruste aufrissen. Darunter aber lag ein gewaltiger Grundwassersee, in dem Wasser auch dann noch gespeichert wurde, als es auf der Oberfläche längst nur noch Trockenheit und Eis gab. „Die Sturzflut hatte ihren Ursprung in diesem tiefen Grundwasser-Reservoir“, sagt Morgan.
Ähnliche Ereignisse gibt es auch auf der Erde, unter anderem in Sibirien. Hier entstehen immer wieder Sturzfluten, wenn der Permafrost schmilzt und dadurch der Untergrund instabil wird. Als Folge bricht der Boden über Hohlräumen im Untergrund ein und schleudert das darin enthaltene Wasser an die Oberfläche. Auf dem Mars könnte eine tektonische Verschiebung des Untergrunds oder aber Vulkanismus die Decke aus Gestein und Eis aufgebrochen haben und so die Wassermassen freigesetzt, wie die Forscher vermuten. Es sei in jedem Falle sehr wichtig, diese Kanalsysteme und ihre Entstehung zu verstehen, denn sie geben wertvolle Einblicke in die hydrologische Aktivität auf unserem kühleren Nachbarplaneten. (Science, 2013; doi:
10.1126/science.1234787
(Smithsonian / Science, 08.03.2013 – NPO)