Ökologie

Fledermäuse schlafen in fleischfressenden Pflanzen

Die auf Borneo lebende Hardwicke-Wollfledermaus profitiert dabei genau wie die Pflanze von dem Schlaf-Deal

Hardwicke-Wollfledermäuse schlafen nicht nur in fleischfressenden Kannenpflanzen, manchen zahlen sie dafür sogar Miete. © Michael Gerhard Schöner

Die Fledermäuse der südostasiatischen Insel Borneo haben sich eine sehr ungewöhnliche Wohnung ausgesucht: Sie leben in fleischfressenden Pflanzen. Ein internationales Forscherteam hat nun gezeigt, dass die nachtaktiven Insektenjäger von einem symbiotischen Zusammenleben mit der Kannenpflanze Nepenthes hemsleyana profitieren. Viele Fledermäuse sind jedoch gezwungen, aus Wohnungsmangel in qualitativ minderwertige Quartiere zu ziehen, was sich auf ihren Gesundheitszustand auswirkt, wie die Forscher im Fachmagazin „Oecologia“ berichten.

Fledermäuse sind bei der Suche ihrer Schlafplätze durchaus wählerisch. Wie viele Tiere benötigen sie eine Unterkunft, die Schutz vor Räubern, schlechtem Wetter und Parasiten bietet. Als nachtaktive Tiere sind sie außerdem darauf angewiesen, dass ihr Tagesquartier auch weiteren klimatischen Ansprüchen genügt. So darf es in ihrer Behausung tagsüber nicht zu heiß werden – ein auf Borneo, wo die Temperaturen über das Jahr konstant bei 26 bis 27 Grad liegen, nicht zu unterschätzender Faktor. Die Hardwicke-Wollfledermaus hat sich daher ein ganz besonderes Tagesquartier gesucht. Sie verbringt den Tag in den Hohlräumen fleischfressender Pflanzen der Gattung Nepenthes. Die großen kannenartigen Ausstülpungen der Pflanzen dienen den Fledermäusen dabei als Schlafzimmer. Ihre eigentliche Funktion ist jedoch die Nahrungsbeschaffung für die Pflanze: Denn die Kannen dienen als Insektenfallen.

Schlafplatz gegen Nahrung

Dennoch scheint die Fledermaus als Untermieter der Pflanze nicht hinderlich zu sein. Das Mietverhältnis ist dabei für beide Parteien von Vorteil: Mieter und Vermieter gehen eine Symbiose ein. Die Fledermäuse werden von den Pflanzen nicht verdaut, wie sonst die hineinfallenden Insekten, sondern finden in den Kannen ein sicheres Schlafquartier. Und auch die Pflanzen haben etwas davon: „Nepenthes hemsleyana ist eine ziemlich schlechte Falle für Insekten“, so Ulmar Grafe von der Universität Brunei. „Daher hat sie sich an ihre Bewohner angepasst, um – sozusagen als Miete – Nährstoffe aus dem in der Kannenflüssigkeit hinterlassenen Fledermauskot zu gewinnen.“

In einer neuen Studie fanden die Forscher der Universität Greifswald und der Universität Brunei Darussalam nun allerdings heraus, dass es neben Nepenthes hemsleyana noch eine weitere Kannenpflanze gibt, Nepenthes bicalcarata, in die die Fledermäuse einziehen – obwohl es sich hierbei um eher minderwertigen Wohnraum handelt. Denn diese Kannen sind im lebenden Zustand für die Fledermäuse nicht nutzbar, da sie nahezu vollständig mit Verdauungsflüssigkeit gefüllt sind. Daher gehen die Tiere bei dieser fleischfressenden Pflanzenart ausschließlich in abgestorbene oder beschädigte Kannen, aus denen die Flüssigkeit bereits ausgelaufen ist.

„Wir konnten nun zeigen, dass die andere Kannenpflanzenart, Nepenthes bicalcarata, keinen Nutzen mehr aus dem Kot und Urin der Fledermäuse ziehen kann, da die nötige Verdauungsflüssigkeit fehlt. Zum anderen ist die Unterkunft in diesen Kannen aber auch für die Fledermäuse nicht mehr so vorteilhaft.“, sagt Gerald Kerth von der Universität Greifswald.

Symbiose am Effektivsten

Das zeigt sich am Gesundheitszustand ihrer Bewohner: Tiere, die vorwiegend in abgestorbenen Kannen von Nepenthes bicalcarata gefunden wurden, waren in schlechterer körperlicher Verfassung als Artgenossen, die Nepenthes hemsleyana bevorzugen. „Unsere Studien zeigen, dass in den Kannen von Nepenthes hemsleyana ein stabileres Klima herrscht, was sehr vorteilhaft für die Fledermäuse sein dürfte. Außerdem können sich in diesen Kannen keine Fledermausparasiten an den Wänden festhalten“, erklärt Michael Schöner, einer der Autoren der Studie.

Die Studie zeigt, dass Beziehung der Fledermäuse mit Nepenthes hemsleyana positive Auswirkungen für beide Partner hat. Der Einzug der Fledermäuse in die Kannen der Nepenthes bicalcarata dagegen bringt keinerlei Nutzen für die Pflanzen und hat Nachteile für die Tiere. Dass die Fledermäuse dennoch auch in diesen qualitativ schlechteren Quartieren schlafen, erklärt Caroline Schöner von der Universität Greifswald mit der größeren Häufigkeit der schlechten Quartiere. Illegale Hausbesetzung ist demnach selbst in den Sümpfen Borneos ein probates Mittel der Wohnungssuche. (Oecologia, 2013;

doi: 10.1007/s00442-013-2615-x)

(Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, 08.03.2013 – KBE)

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