Ein Blick ins Unbekannte: Forscher haben erstmals live beobachtet, was bei einem Katalysator auf Molekülebene geschieht. Möglich wurde dieser Einblick in die winzige und ultraschnelle Welt der Moleküle durch einen speziellen Röntgenlaser. Er zeigte, dass Kohlenmonoxid-Moleküle kurzzeitig über dem Katalysator schwebend verharren, bevor sie endgültig davonfliegen. Dieser Übergangszustand sei bisher nur theoretisch postuliert worden, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science“.
Katalysatoren sind Stoffe, die eine chemische Reaktion beschleunigen oder überhaupt erst ermöglichen, selbst dabei jedoch unverändert bleiben. Sie sind in zahlreichen industriellen Prozessen unverzichtbar, von der Umwelttechnik über die Herstellung von Kraftstoffen bis zur Produktion von Dünger für die Landwirtschaft. Das wohl bekannteste Beispiel ist der Abgaskatalysator im Auto: Er
besteht unter anderem aus dem Edelmetall Platin, das auf seiner Oberfläche die Umwandlung von Kohlenmonoxid (CO) in Kohlendioxid (CO2) katalysiert.
Im Schwebezustand verharrt
Jetzt haben die Forscher mit Hilfe eines Röntgenlasers – der Linac Coherent Light Source (LCLC) am US-Beschleunigerzentrum SLAC in Kalifornien – die Anlagerung von Kohlenmonoxid an eine Katalysatoroberfläche aus dem Metall Ruthenium erstmals live verfolgt. Dabei konnten sie sehen wie die Kohlenmonoxidmoleküle sich von der Rutheniumoberfläche lösen.. „Das Molekül fliegt nicht einfach davon. Es verharrt einen Moment in einem schwach gebundenen Übergangszustand über der Oberfläche, in dem es immer noch mit ihr wechselwirken kann“, berichtet die Erstautorin der Studie Martina Dell´Angela von der Universität Hamburg. „Das ist beispielsweise wichtig um zu verstehen, wie neue Moleküle einen Platz auf einer bereits fast voll besetzten Katalysatoroberfläche finden können.“
Postuliert, aber noch nie beobachtet
Chemiker wissen bereits seit vielen Jahren, dass die Reaktion am Katalysator ultrakurzlebige Übergangszustände der Moleküle beinhaltet. In diesen Momenten „schweben“ die Moleküle zwischen einem Zustand vor und nach der Umwandlung durch den Katalysator – sie sind nicht Fisch noch Fleisch.
„Dieser kurzlebige Übergangszustand war bereits vor mehr als einem halben Jahrhundert postuliert worden. Zum ersten Mal ließ er sich jetzt tatsächlich beobachten“, erläutert Ko-Autor Wilfried Wurth, Sprecher der Advanced Study Group der Universität Hamburg am CFEL. Sie hätten nicht erwartet diesen Zustand zu sehen, es sei eine Überraschung gewesen, sagt Anders Nilsson von der Universität Stanford. Auch wie viele Moleküle für eine recht lange Zeit in dem Überganszustand verharrten, sei unerwartet gewesen.
Bis man allerdings den kompletten Reaktionsablauf eines in der Industrie eingesetzten Katalysators verfolgen kann, vergeht wohl noch einige Zeit. Dennoch ist laut Wurth mit der jetzt beobachteten Reaktion ein wichtiger erster Schritt in die Erkundung der ultraschnellen Dynamik von Oberflächenreaktionen gelungen. „Wir haben mit dieser Untersuchung gezeigt, dass die Beobachtung dieser Prozesse mit Röntgenlasern möglich ist“, betont Wurth. „Das eröffnet auch die Möglichkeit, wesentlich komplexere Reaktionen zu untersuchen.“ Die Forscher gehen davon aus, dass das zahlreiche Überraschungen zutage fördern wird. „Eine Reaktion wie diese in Echtzeit zu beobachten, ist der Traum eines Chemikers“, betont Nilsson. „Es ist wirklich ein Sprung ins Unbekannte.“ (Martina Dell´Angela et al.; Science, 2013 doi: 10.1126/science.1231711)
(Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY, 15.03.2013 – KBE)