Sie gründeten vor etwa 5.000 Jahren die erste europäische Hochkultur: die Minoer, benannt nach dem legendären König Minos von Kreta. Doch wo kamen sie eigentlich her? Bisher hielt man Nordafrika für den wahrscheinlichsten Ursprung, denn dort waren die Ägypter bereits weit entwickelt und auch im heutigen Libyen gab es fortgeschrittene Kulturen. Spätere Untersuchungen warfen jedoch Zweifel daran auf. Forscher haben nun erneut DNA-Proben aus minoischen Knochen analysiert. Ihr in „Nature Communications“ veröffentlichtes Ergebnis: Die Minoer kamen definitiv nicht aus Afrika, sie waren Europäer.
Die ersten Menschen erreichten Kreta vor etwa 9.000 Jahren – ungefähr zu der Zeit, als sich im Nahen Osten die Landwirtschaft entwickelte und nach Europa getragen wurde. Ihre Nachfahren begründeten später, in der frühen Bronzezeit, die minoische Hochkultur. Um 1900 entdeckte der britische Archäologe Arthur Evans auf Kreta den berühmten Palast von Knossos. Er war damals ebenso wie einige seiner Kollegen überzeugt, dass diese Menschen ursprünglich Flüchtlinge aus dem Norden Ägyptens waren. Sie hätten von dort fliehen müssen, als einer der südlichen Könige vor mehr als 5.000 Jahren das Land eroberte, so seine Vorstellung.
Herkunft ungeklärt
Seit der Zeit von Evans haben Forscher zahlreiche Untersuchungen zur Herkunft der Minoer gemacht. Viele ihrer Ergebnisse kann man tatsächlich als Beleg für eine nordafrikanische Herkunft interpretieren – etwa große Übereinstimmungen bei Begräbnisriten und Schmuck- oder Kunstgegenständen aus Kreta mit denen aus Ägypten und Libyen. Allerdings gibt es auch Daten, die in die entgegengesetzte Richtung weisen. So sprechen einige bisherige Analysen von Erbgut aus minoischen Gräbern nicht für Nordafrika. Sie sind jedoch so widersprüchlich, dass auch keine andere Herkunft zweifelsfrei belegt werden konnte.

Das Team um Jeffery Hughey vom Hartnell College im kalifornischen Salinas hat nun erneut DNA aus fast 100 minoischen Skeletten analysiert. 39 davon stammten aus Gräbern, die in der Nähe des Palasts von Phaistos ausgegraben wurden. Die restlichen Proben entnahmen die Forscher Skelettresten in einer Höhle auf der Lasithi-Hochebene in Zentralkreta. Diese Höhle wurde vermutlich von der ersten Besiedelung Kretas an bis vor rund 3.800 Jahren durchgehend als eine Art Beinhaus genutzt und schließlich verschüttet.