Nicht nur die großen Strömungen in den Ozeanen, sondern auch kleinere Wirbel beeinflussen das Wetter. Je nachdem, in welche Richtung sie drehen, fördern oder hemmen sie Stürme und Regen im Gebiet über ihnen. Das haben Schweizer Forscher bei der bisher umfassendsten Untersuchung solcher Strömungswirbel im Südpolarmeer herausgefunden. Es sei daher wichtig, solche Wirbel künftig auch in Wettermodellen zu berücksichtigen, um beispielsweise Sturmspitzen besser vorhersagen zu können, so die Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“.
Meeresströmungen haben einen großen Einfluss auf das Wetter und das Klima. Ohne den Golfstrom im Atlantik beispielsweise wäre es in Nord- und Westeuropa sehr viel kälter. Doch es gibt auch relativ kleine und nur vorübergehend existierende Wirbel. Mit einem Durchmesser von rund hundert Kilometern kommen sie in allen Ozeanen vor, sowohl auf der Nord- wie auf der Südhalbkugel. Sie entstehen, weil die meisten Meeresströmungen nicht geradlinig verlaufen, sondern turbulent sind und dabei zum Beispiel von der Topografie am Meeresgrund beeinflusst werden
Bestandsaufnahme bei 600.000 Wirbeln
„Vorstellen kann man sich das wie bei einem Bach, der an einem Stein vorbeifließt“, erklärt Ivy Frenger vom Institut für Biogeochemie und Schadstoffdynamik der ETH Zürich. „Hinter dem Stein entstehen Wirbel.“ In den Ozeanen können diese Wirbel mit den großräumigen Meeresströmungen über weite Distanzen verfrachtet werden und sich auch eigenständig über die Meere fortbewegen. Ob auch diese Wirbel das Wetter beeinflussen, haben die ETH-Forscher mit Hilfe von umfangreichen Satellitendaten untersucht. „Weil sich das Wasser in den Wirbeln vom Umgebungswasser in der Dichte leicht unterscheidet, zeigen sich die Wirbel an der Ozeanoberfläche als Beule oder Delle“, so Frenger.
Daher nutzten die Forscher vor allem die topografische Veränderungen der Meeresoberfläche als Basis für ihre Bestandsaufnahme der Wirbel im Südpolarmeer, wo diese Turbulenzen besonders häufig auftreten. Die Wissenschaftler werteten Daten über einen Zeitraum von knapp zehn Jahren aus. So gewannen sie Informationen zu mehr als 600.000 temporär existierenden Wirbeln. Die Forscher fassten diese Wirbel-Daten zusammen, errechneten einen Mittelwert und verglichen sie mit Mittelwerten von Wind-, Wolken- und Niederschlagsdaten, die ebenfalls mit Hilfe von Satelliten erhoben wurden.
Drehrichtung der Wirbel bestimmt ihren Wetter-Effekt
Dabei zeigte sich: Sogenannte anti-zyklonische Wirbel – sie drehen sich auf der Südhemisphäre gegen den Uhrzeigersinn – erhöhen lokal die Windgeschwindigkeit an der Meeresoberfläche, die Wolkenbedeckung und die Regenwahrscheinlichkeit. Die im Uhrzeigersinn drehenden Wirbel haben dagegen den entgegengesetzten Effekt auf die Atmosphäre. Der Grund dafür sind die unterschiedlichen Temperaturen in den Wirbeln, die wiederum die über ihnen liegende Luft beeinflussen: Das Oberflächenwasser ist in anti-zyklonischen Wirbeln wärmer als außerhalb des Wirbels, da diese ihren Ursprung in wärmerem Wasser haben und dann südwärts in kältere Gefilde wandern. Bei den zyklonischen Wirbeln ist es umgekehrt, sie sind daher kälter als das umgebende Wasser.
Frenger und ihre Kollegen haben nun errechnet: Für jedes Grad, dass der Wirbel wärmer ist, nimmt die Windstärke um etwa fünf Prozent zu, die Wolkenbedeckung um drei Prozent und die Regenwahrscheinlichkeit um acht Prozent. In den meisten Meeresregionen ist die Zahl warmer und kalter Wirbel ähnlich. Großräumig und langfristig gesehen heben sich die Effekte von warmen und kalten Wirbeln auf die Atmosphäre daher oft in etwa auf. Die Wirbel erhöhen aber die Variabilität der Atmosphäre, und sie haben einen Einfluss auf lokale Extremereignisse.
Fegt beispielsweise ein Sturm über einen Wirbel, können sich die Windspitzen ändern, also je nach Drehrichtung des Wirbels zu- oder abnehmen. Möglicherweise beeinflussen diese Wirbel auch die Richtung, die ein Sturm einschlägt. „Es ist wichtig, die von den Wirbeln verursachte Variabilität zu kennen und sie in Wetter- und Klimamodelle der nächsten Generation einzubauen“, sagt Frenger. Gerade in Regionen, in denen warme oder kalte Wirbel überwiegen, können diese auch einen großräumigeren Effekt haben.
Luftdruck oder Turbulenz?
Die ETH-Forscher gewannen außerdem weitere Hinweise auf den Mechanismus, wie die Wirbel das Wetter beeinflussen. Dazu gibt es in der Fachwelt zwei Hypothesen. Die eine geht davon aus, dass die Temperaturunterschiede des Meerwassers im Bereich der Wirbel zu Temperaturunterschieden in der Atmosphäre führen. Dies wiederum ruft Luftdruckunterschiede über dem Wirbel hervor, die durch Luftbewegungen ausgeglichen werden. Würde diese Hypothese zutreffen, würde man am Rand des Wirbels Änderungen in der Windgeschwindigkeit erwarten.
Die von den ETH-Forschern ausgewerteten Winddaten zeigen jedoch, dass die Windänderung nicht am Rand, sondern im Zentrum der Wirbel maximal ist. Dies lässt eine zweite Hypothese wahrscheinlicher erscheinen. Nach dieser beeinflussen die Temperaturunterschiede im Bereich der Wirbel die Turbulenz der Atmosphäre darüber: Je wärmer der Wirbel, desto größer die Durchmischung der Luftmassen darüber, und in desto größerer Höhe wird die Atmosphäre über dem Ozean beeinflusst, was den Wind, die Bewölkung und den Niederschlag prägt. Die Studie ist die erste, die solche Wirbel so systematisch erforscht und ihre Auswirkungen nicht nur auf Wind und Wolkenbedeckung, sondern auch auf den Niederschlag untersucht. (Nature Geoscience, 2013, doi: 10.38/ngeo1863)
(Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, 08.07.2013 – NPO)