Astronomen haben die sechs kältesten bekannten Trümmergürtel um ferne Sterne entdeckt. Sie sind nur eisige minus 250 Grad kalt und damit deutlich kühler als beispielsweise der Asteroidengürtel im Sonnensystem. Und noch eine Besonderheit zeichnet sie aus: Ihnen fehlt der charakteristische Staub, der normalerweise durch Kollisionen von Gesteinsbrocken entsteht, wie die Forscher im Fachmagazin „The Astrophysical Journal“ berichten. Möglicherweise seien diese ungewöhnlichen Trümmerscheiben das Ergebnis einer gestoppten und gescheiterten Planetenbildung.
Planeten und Asteroiden, Rote Riesen und Braune Zwerge – in unserem Universum tummeln sich die verschiedensten Objekte und Körper. Auch Trümmerscheiben gehören dazu: Das sind aus unzähligen Staubteilchen und Materiebrocken bestehende Gürtel, die um einen zentralen Stern kreisen. Auch um unsere Sonne kreisen solche Staubgürtel: der Asteroidengürtel und der Kuipergürtel mit Pluto als wohl bekanntestem Objekt.
Relikte der Planetenbildung
„Mindestens ein Fünftel der Sterne sind von solchen Staubgürteln umgeben“, erläutert Alexander Krivov von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Sie sind Überreste der Planetenentstehung, in denen sich das restliche, nicht verwendete Baumaterial versammelt“, erklärt der Astrophysiker. Trümmerscheiben sind damit ein wichtiges Puzzlestück, um die Vielfalt planetarer Systeme besser zu verstehen.
Der Astrophysiker hat nun gemeinsam mit einem internationalen Forscherteam sechs sonnenähnliche Sterne mit außergewöhnlichen Staubgürteln beobachtet: Die neu entdeckten Trümmerscheiben sind nicht nur größer als der Kuipergürtel, sie sind vor allem extrem kalt. Mit einer Temperatur von etwa minus 250 Grad Celsius sind es die kältesten bisher bekannten Trümmerscheiben. „Dass es solche kalten Trümmerscheiben überhaupt gibt, hat uns erstaunt“, sagt Krivov. Zum Vergleich: Der Kuipergürtel ist rund 70 Grad wärmer, manche Staubscheiben erreichen sogar Zimmertemperatur.
Staubscheiben ohne Staub
Mysteriös sind die sechs Trümmerscheiben aber noch in weiterer Hinsicht: Ihnen fehlt der charakteristische Staub, der durch die Kollisionen der Gesteinsbrocken entsteht. Stattdessen bestehen die kalten Trümmerscheiben nur aus größeren Brocken. Nach den Berechnungen der Forscher liegt der Durchmesser der Teilchen zwischen einigen Millimetern bis maximal einigen Kilometern. „Gäbe es noch größere Objekte, wären die Scheiben viel dynamischer, die Körper würden kollidieren und somit Staub erzeugen“, verdeutlicht der Astrophysiker.
Die Forscher schließen daraus, dass die kalten Trümmerscheiben zwar auch ein Relikt einer einstigen Planetenfabrik sind, aber dass das Wachstum zu Planeten frühzeitig stoppte – noch bevor Körper in der Größe von Asteroiden oder gar Zwergplaneten entstehen konnten. „Warum die Entwicklung stoppte, wissen wir nicht“, sagt Krivov. „Doch die kalten Trümmerscheiben sind ein Beweis, dass solche Gürtel über Milliarden Jahre hinweg bestehen können.“
Weltraumteleskop Herschel spürte kalte Phänomene auf
Auf die ungewöhnlichen Trümmerscheiben gestoßen sind die Wissenschaftler mithilfe des Herschel-Weltraumobservatoriums – des größten, jemals ins Weltall geschossenen Teleskops. „Herschel wurde genau dafür konzipiert, um kalte Objekte zu detektieren, denn es hat die Strahlung im fernen Infrarot gemessen“, erklärt Krivov. Trotz seiner enormen Leistungsfähigkeit war die Beobachtung der kalten Trümmerscheiben aber selbst für Herschel eine anspruchsvolle Aufgabe. So können die Forscher nicht ausschließen, dass die vermeintlichen Trümmerscheiben eigentlich weit entfernte Hintergrundgalaxien sind, die sich zufällig hinter dem zentralen Stern befinden.
„Unsere Untersuchungen zeigen aber, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit mehrheitlich um echte Scheiben handelt“, ist sich Krivov sicher. Herschel verabschiedete sich im April planmäßig in den Ruhestand. Endgültige Sicherheit zu ihren Erkenntnissen versprechen sich die Forscher daher von den Daten weiterer Instrumente wie dem Radioteleskop ALMA in der chilenischen Atacama-Wüste. (The Astrophysical Journal, 2013; doi:10.1088/0004-637X/772/1/32)
(Friedrich-Schiller-Universität Jena, 08.07.2013 – NPO)