Überraschender Fund in der kosmischen Hintergrundstrahlung: Bei der Auswertung von neuesten Daten zu den Strahlenresten aus der Frühzeit des Kosmos haben Astrophysiker einen rätselhaften Überschuss an Strahlung entdeckt. Dieser könnte möglicherweise noch älter sein als der restliche Mikrowellen-Hintergrund – und von Sonderformen der Dunklen Energie oder aber einer exotischen Neutrino-Form herrühren, wie die Forscher im Fachmagazin “ Physical Review Letters“ berichten.
Was geschah kurz nach dem Urknall – und wie bildete sich die erste Materie? Ein schwaches Echo der Milliarden Jahre zurückliegenden Vorgänge findet sich im kosmischen Mikrowellen-Hintergrund (CMB). Dieser besteht aus Strahlung im Mikrowellenbereich, die den gesamten Kosmos erfüllt. Nach gängiger Theorie entstand sie, als sich das Universum etwa 378.000 Jahre nach dem Urknall soweit abgekühlt hatte, dass sich die ersten Atome bildeten und die Materie entstand. Dabei wurden Photonen frei, die bis heute im Weltraum nachweisbar sind.
Durch die Ausdehnung und Abkühlung des Universums wurde diese Strahlung ebenfalls kühler und langwelliger. Heute entspricht sie im Prinzip der Strahlung, die ein Schwarzkörper bei drei Kelvin ausstrahlen würde. Die Messung dieser Hintergrundstrahlung gibt Astronomen heute die Chance, zurück in die Zeit zu blicken, als sich Materie und Strahlung trennten und die großen Materiestrukturen des Kosmos entstanden. Hinweise liefern ihnen unter anderem kleinste Abweichungen der Strahlung von den durchschnittlichen drei Kelvin.
Strahlen-Überschuss im Mikrowellen-Hintergrund
Eric Linder vom Lawrence Berkeley National Laboratory und seine Kollegen haben nun die jüngsten Daten von zwei Weltraum-Observatorien ausgewertet, die zurzeit den kosmischen Hintergrund vermessen: dem Planck-Satelliten der europäischen Weltraumagentur ESA und die Wilkinson Microwave Anisotropy Probe (WMAP) der NASA. Die neuen Daten liefern eine höhere Auflösung, weniger Störrauschen und eine größere Himmelsabdeckung als alle bisherigen Untersuchungen, wie die Forscher berichten. Und sie enthüllten Überraschendes:
„Wir haben zwar festgestellt, dass die neuen Daten das Standardbild des frühen Universums bestätigen, in der eine Ära der Strahlung von der Dominanz der Materie abgelöst wurde“, erklärt Linder. Aber es gab auch Hinweise darauf, dass dieser Übergang nicht ganz auf die erwartete Weise stattfand: „Wir haben einen Überschuss an Strahlung gefunden, der nicht auf den Photonen des kosmischen Mikrowellen Hintergrund beruht“, so der Forscher. Dieser Überschuss deute darauf hin, dass es vor der Entstehung der Hintergrundstrahlung bereits relativistische Teilchen gab – Elementarteilchen, die sich mit nahezu Lichtgeschwindigkeit oder sogar Lichtgeschwindigkeit bewegen und daher besonderen Gesetzen gehorchen.
„Wilde“ Neutrinos oder Dunkle Energie?
Einer der Hauptverdächtigen für diese geheimnisvollen Teilchen sind nach Angaben der Forscher sogenannte „wilde“ Versionen von Neutrinos, nahezu masselosen „Geisterteilchen“, die kaum mit Materie wechselwirken. Sie sind heute nach den Photonen die zweithäufigste Art von freien subatomaren Teilchen im Kosmos – aber sie sind für uns unsichtbar. In jeder Sekunde rasen 100 Billionen dieser winzigen Partikel mit annähernd Lichtgeschwindigkeit durch unseren Körper, ohne dass wir auch nur das Geringste davon spüren. Nach Angaben von Linder und seinen Kollegen könnte es kurz nach dem Urknall nicht nur die heute bekannten Sorten von Neutrinos gegeben haben, sondern noch weitere, bisher nicht im Standardmodell beschriebene – die sie deshalb als „wild“ bezeichnen.
Eine andere Erklärung für den Strahlenüberschuss wäre Dunkle Energie – eine der Gravitation entgegenwirkende Kraft, die eine Schlüsselrolle für die schnelle Ausdehnung unseres Universums spielen könnte. Allerdings, betonen die Astrophysiker, wäre auch diese Dunkle Energie des frühen Kosmos verschieden von derjenigen, die der Theorie nach noch heute im Kosmos existiert. „Während die Energiedichte der herkömmlichen Dunklen Energie während des letzten Ausstrahlens der Hintergrundstrahlung rund eine Milliarde mal verdünnt war, gehen die Theorien bei der frühen Dunklen Energie von einer bis zu zehn Millionenfachen Dichte aus“, erklärt Linder.
Interpretation noch unklar
Aber bisher gibt es keine Beweise dafür, dass es diese exotische Form der Energie je gegeben hat. Könnte man sie aber nachweisen, dann würde sie nicht nur Einblick darin geben, was das Universum dazu brachte, sich auszudehnen. Sie könnte auch neue Indizien dafür liefern, ob die String-Theorie und andere Modelle der Physik und Kosmologie stimmen oder nicht.
Noch allerdings ist nicht klar, was den jetzt identifizierten Strahlungsüberschuss im frühen Universum hervorrief. „Aber neue Experimente zur Messung des Mikrowellenhintergrunds, wie die POLARBEAR- und SPTpol-Teleskope sind bereits in Arbeit, die uns helfen werden, die Physik der kosmischen Urzeit besser zu erforschen“, schließt Linder. (Physical Review Letters, 2013; doi: 10.1103/PhysRevLett.111.041301)
(Lawrence Berkeley National Laboratory, 09.08.2013 – NPO)