Physik

Lichtpulse beschleunigen sich gegenseitig

Physiker erzeugen scheinbar unmöglichen Antrieb im Experiment

Künstlerische Darstellung des optischen diametralen Antriebs auf Basis von Messdaten. Der linke Pulszug mit positiver effektiver Masse und der rechte Pulszug mit negativer Masse beschleunigen durch eine Umkehr des 3. Newtonsches Gesetzes in die gleiche Richtung. © FAU

Es hört sich an wie der Traum eines jeden Fahrrad-Teams: Ich schiebe dich, du schiebst mich, dann werden wir beide schneller. Aus Erfahrung weiß jeder, dass das nicht funktioniert. Laut Newtons Reaktionsprinzip wirken die Kräfte zwischen zwei Objekten immer entgegengesetzt. In „Nature Physics“ stellen Physiker ein Experiment vor, in dem sie dieses fundamentale Gesetz scheinbar umgehen. Dabei beschleunigen sich speziell präparierte Lichtpulse gegenseitig.

Spekulationen über Raumantrieb

Die Kräfte zwischen zwei Objekten, Aktion und Reaktion, sind gleichwertig und entgegengesetzt, verkündet das Dritte Newtonsche Gesetz. Stoßen beispielsweise zwei solche Objekte zusammen, prallen sie beide in die entgegengesetzte Richtung zurück. So uneingeschränkt gilt das allerdings nur für zwei Objekte positiver Masse. Würde man dagegen ein Objekt mit positiver und eines negativer Masse kombinieren, müsste rein theoretisch ein unerwartetes Phänomen auftreten: Wirkt eine Kraft zwischen ihnen, so beschleunigen beide Körper fortwährend in dieselbe Raumrichtung und werden so immer schneller.

Bereits vor 15 Jahren spekulierte Marc G. Millis bei der NASA, dass sich dieser Effekt ideal für den Antrieb von Raumschiffen nutzen lassen könnte. Millis gab diesem Konzept die Bezeichnung „diametric drive“ (diametraler Antrieb).

Der große Haken an diesem „idealen Raumantrieb“: Es gibt höchstwahrscheinlich keine Objekte mit negativer Masse. Denn „die Existenz von mechanischen Objekten mit einer negativen Masse verstößt im freien Raum gegen derart viele Grundgesetze der Physik, dass sie mit großer Sicherheit ausgeschlossen werden kann“, erklärt Ulf Peschel, Professor für Experimentalphysik an der Friedrich Alexander Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Die negative Hälfte des Antriebs kann also eigentlich gar nicht existieren.

Lichtpulse mit effektiver negativer Masse

Veranschaulichung von Teilchen mit positiver Masse (rot) und negativer Masse (blau). Während positive Massen beschleunigen, wenn sie in ein Tal hinabwandern und abbremsen, wenn sie auf einen Hügel treffen, verhalten sich die blauen Kugeln mit negativer Masse gerade umgekehrt und werden vom Tal abgestoßen. © FAU

Für Lichtpulse innerhalb künstlich geschaffener Systeme gelten jedoch andere Regeln. In einer Kooperation mit dem Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts und der University of Central Florida gelang es den Forschern, ein spezielles optisches Fasernetzwerk herzusttellen. Darin lassen sich Lichtpulse erzeugen, die sich physikalisch so verhalten wie Teilchen mit effektiver negativer Masse. Trifft ein so präpariertes Lichtbündel auf ein anderes mit effektiver positiver Masse, entsteht eine sogenannte nichtlineare Wechselwirkung.

Das Resultat erscheint so widersinnig wie zwei Fahrradfahrer, die sich gegenseitig bergauf schieben. Aber es funktioniert: „Die beiden Lichtbündel beschleunigen in dieselbe Richtung und werden immer schneller, so wie man es eben bei einem diametralen Antrieb erwarten würde“, erklären die Forscher. Damit bilden sie einen optischen diametralen Antrieb, entsprechend der Hypothese von Marc Millis.

Anwenden ließe sich dieses Prinzip auf jedes physikalische System, das auf dem Konzept der effektiven Masse basiert. So ist für die Wissenschaftler der FAU vorstellbar, zum Beispiel Elektronen in Halbleitern zu beschleunigen oder die Wellenlänge von Lichtstrahlen zu verändern. Fahrradfahrer oder gar Raumschiffe lassen sich auf diese Weise jedoch wohl auch in Zukunft leider nicht diametral antreiben. (Nature Physics,2013; doi:10.1038/NPHYS2777)

(Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 15.10.2013 – AKR)

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