Noch während die Verhandlungen auf dem Klimagipfel in Warschau stagnieren, gibt es die schlechte Nachricht in Sachen Klimawandel: Die Meeresspiegel steigen bis zum Jahr 2100 möglicherweise stärker als es der IPCC-Bericht noch vor wenigen Wochen vorhergesagt hat. In einer vergleichenden Befragung sagten zwei Drittel der Experten auf diesem Gebiet jetzt ein Steigen der Pegel um bis zu 1,20 Meter voraus – 20 Zentimeter mehr als die Obergrenze im Weltklimabericht.
Die Vorhersagen zum künftigen Anstieg des Meeresspiegels sind im Moment noch alles andere als genau. Sie bergen große Unsicherheiten, weil die verursachenden physikalischen Prozesse sehr komplex sind. Die Forscher müssen unzählige Faktoren miteinbeziehen, darunter die Ausdehnung der sich erwärmenden Ozeane, das Abschmelzen von Berggletschern, Eiskappen und der zwei großen Eisschilde Grönlands und der Antarktis, sowie das Fördern von Grundwasser zu Bewässerungszwecken.
Einschätzungen von 90 Meeresspiegel-Experten
Unterschiedliche Modellansätze führen daher oft zu unterschiedlichen Ergebnissen. Auch der kürzlich veröffentlichte Bericht des IPCC musste seine Projektionen im Vergleich zum letzten Bericht aus dem Jahr 2007 um etwa 60 Prozent nach oben korrigieren. Und andere von Wissenschaftlergruppen erstellte Studien kamen ebenfalls bereits auf höhere Werte. Der von Satelliten während der letzten beiden Jahrzehnte gemessene Meeresspiegelanstieg hat zudem frühere Erwartungen übertroffen. „Deshalb ist es nützlich, die Einschätzungen der Meeresspiegel-Experten zu kennen und transparent zu machen“, erklärt Erstautor Benjamin Horton von der Rutgers University in New Jersey.
Um genauere Einschätzungen zu bekommen, führten die Forscher daher die bisher größte Befragung zu diesem Thema unter Klimaforschern durch. „Wir haben die Umfrage zum zukünftigen Meeresspiegelanstieg neunzig objektiv ausgewählten Experten aus 18 Ländern vorgelegt“, berichtet Horton. Um sicher zu gehen, dass nur ausgewiesene Experten in Sachen Meeresspiegel darunter waren, wurden nur diejenigen berücksichtigt, die in den vergangenen fünf Jahren mindestens sechs wissenschaftlich begutachtete Studien zum diesem Thema veröffentlicht haben.