Warum funktionieren bestimmte Alzheimer-Medikamente in Tiermodellen, aber nicht in klinischen Studien am Menschen? Das haben Forscher jetzt genauer untersucht. Ihr Resultat:Die Ergebnisse etablierter Tiermodelle lassen sich kaum auf die Vorgänge im menschlichen Gehirn übertragen. Wirkstoffstudien sollten daher am besten mit menschlichen Nervenzellen durchgeführt werden, folgern die Wissenschaftler. In ihrer Studie beschreiben sie ein solches Modell, dass sie aus menschlichen Stammzellen entwickelten.
Im Gehirn von Alzheimer-Patienten bilden sich Ablagerungen, die im Wesentlichen aus dem Protein-Abbauprodukt Beta-Amyloid bestehen. Dieser Protein-Abfall tötet die umliegenden Nervenzellen ab. Wissenschaftler suchen deshalb nach Wirkstoffen, die die Bildung dieser gefährlichen Ablagerungen verhindern. So führten bestimmte Medikamente aus der Gruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) in Tiermodellzellen dazu, dass sich weniger der gefährlichen Beta-Amyloid-Varianten bildeten. In nachfolgenden klinischen Studien am Menschen blieben diese NSAR jedoch weitgehend wirkungslos.
„Die Ursachen für diese negativen Ergebnisse waren lange Zeit unklar“, sagt Oliver Brüstle, Direktor des Instituts für Rekonstruktive Neurobiologie der Universität Bonn. „Allerdings sind diese Wirkstoffe nie direkt an der eigentlichen Zielstruktur – der menschlichen Nervenzelle – getestet worden“, ergänzt Jerome Mertens, der Erstautor des nun im Fachmagazin „Stem Cell Reports“ erschienenen Artikels. Herkömmliche Testverfahren werden bevorzugt eingesetzt, weil lebende menschliche Nervenzellen bislang nur sehr eingeschränkt verfügbar waren. Jedoch hat sich die Stammzellforschung so gut etabliert, dass sich inzwischen aus Körperzellen sehr effektiv Gehirnzellen gewinnen lassen.
Wissenschaftler wandeln Hautzellen in Nervenzellen um
Das hat sich das Team aus Bonn zunutze gemacht. Zusammen mit Kollegen der Universität Leuven in Belgien haben die Forscher solche Nervenzellen des Menschen gewonnen. Sie nutzten dazu Hautzellen von zwei Patienten mit einer erblichen Form der Alzheimer-Erkrankung und stellten daraus sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) her. Dazu versetzten sie die Körperzellen sozusagen ins embryonale Stadium zurück. Aus diesem Stadium können sich die Zellen in nahezu jeden Gewebetyp weiterentwickeln. Die so entstandenen „Alleskönnerzellen“ wandelten sie anschließend in Nervenzellen um.