Ökologie

Dünger stört Gleichgewicht von Wiesen und Weiden

Verlust der Artenvielfalt destabilisiert Ökosysteme langfristig

Ausbringung von Mineraldünger © Amazone GmbH & Co. KG / (CC BY-SA 3.0)

Gut gedüngt ist halb geerntet? Nicht immer. Düngemittel steigern zwar kurzzeitig den Ertrag, können ein Ökosystem aber auf lange Sicht aus dem Gleichgewicht bringen. Auf Wiesen und Weiden wirkt die Überdüngung durch absichtlich und unabsichtlich eingebrachte Nährstoffe langfristig destabilisierend – und kann so das gesamte Wachstum sogar senken. Eine internationale Studie, die nun im Fachjournal „Nature“ erschien, zeigt dies erstmals anhand von Daten aus natürlichen Standorten auf allen fünf Kontinenten.

Dünger sorgt durch zusätzliche Nährstoffe dafür, dass Pflanzen schneller und größer wachsen. Nutzpflanzen bringen dadurch höhere Erträge, Landwirte fahren bessere Ernten ein und produzieren mehr Futtermittel für Tiere. Als Düngemittel dienen vor allem die wichtigen Pflanzennährstoffe Stickstoff und Phosphat. Diese gelangen jedoch auch noch aus anderen Quellen in die Umwelt: Bei der Verbrennung von fossilen Brennstoffen und in der Industrie etwa gelangt Stickstoff in die Atmosphäre, Phosphat ist Bestandteil vieler Reinigungsmittel und gelangt über Abwässer in den Wasserkreislauf. Das dadurch entstehende übermäßige Nährstoffangebot kann das natürliche Gleichgewicht verschieben oder sogar umstoßen.

Überdüngung destabilisiert Artenvielfalt

Dass Überdüngung die Artenvielfalt von Ökosystemen senkt, ist bereits bekannt. An einem nährstoffarmen Standort etwa sind die dortigen Pflanzen an karge Verhältnisse angepasst. Ein plötzliches Überangebot an Nährstoffen können die meisten davon nicht effektiv nutzen. Einzelne Arten, die von anderen Standorten einwandern, gewinnen dadurch einen Vorteil: Sie können sich stark vermehren und verdrängen die anderen Arten. Beim Getreideanbau etwa ist dieser Effekt durchaus erwünscht, zumindest kurzfristig bis zur Ernte.

Die langfristigen Effekte dieser schwindenden Artenvielfalt auf ein Ökosystem wie eine Weidelandschaft waren jedoch bislang nur experimentell in Gärten oder Gewächshäusern erforscht. Das internationale Forschungsteam um Yann Hautier vom Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften der Universität Zürich hat daher Ökosysteme unter natürlichen Bedingungen studiert. Über das „Nutrient Network“, ein internationales Netzwerk von 75 Forschungsstandorten, erhielten die Wissenschaftler Zugang zu Daten von 41 Weidelandschaften auf fünf Kontinenten. Damit ist die Studie die erste in dieser Größenordnung, die die Beziehungen zwischen Artenvielfalt und Stabilität in natürlichen Ökosystemen untersucht.

Kuhherde auf der Weide © SXC

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass artenreiche Ökosysteme auf der ganzen Welt viel weniger stark auf veränderliche Umweltbedingungen reagieren als artenarme – und damit langfristig stabiler bleiben. Verantwortlich dafür ist das sogenannte asynchrone Wachstum der Pflanzen: Wächst unter gewissen Bedingungen eine Art weniger gut, kompensiert eine andere Art den Verlust mit besserem Wachstum. Das ist vergleichbar mit dem „Portfolio-Effekt“, wie er vom Aktienmarkt bekannt ist: Verteilt man seine Investitionen auf mehrere Anlagen, wird die Reaktion auf die Bewegungen in der Gesamtwirtschaft ausgeglichener erfolgen, als wenn man nur auf wenige Anlagen setzt.

Zusätzlicher Stickstoff synchronisiert das Pflanzenwachstum

Für Weidelandschaften ist dieser Wachstumsverlust besonders bedeutend: Im Gegensatz zu einem Feld, das nach der Reifezeit des Getreides vollständig abgeerntet wird, muss eine Viehweide Jahr für Jahr über einen längeren Zeitraum Nahrung bieten. Das setzt ein stabiles Ökosystem voraus. In der Tat zeigt die Studie, dass sich die Vielfalt und Stabilität in Wiesen und Weiden verringert, wenn Dünger zugegeben wird: Je mehr Nährstoffe in das System gelangen, desto stärker geht der stabilisierende Effekt der Artenvielfalt verloren. Die Produktion der Weidefläche sinkt dadurch.

Der Grund dafür ist laut den Autoren der Verlust des „Portfolio-Effekts“, des asynchronen Wachstums. Durch den Nährstoff-Eintrag wachsen weniger Arten, die alle gleich, also synchron, auf Umweltveränderungen reagieren. „Man sollte nicht nur berücksichtigen, wie produktiv Ökosysteme im Moment sind, sondern auch wie stabil sie langfristig sein werden“, so Co-Autor Martin Schütz von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft. „Die biologische Vielfalt ist dabei entscheidend, wenn die Stabilität von Ökosystemen langfristig erhalten werden soll.“

(Nature, 2014; doi: 10.1038/nature13014)

(Universität Zürich, 18.02.2014 – AKR)

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