Biologie

Moos: Auferstehung nach 1.500 Jahren

Im Permafrost konservierte Pflanze bildet spontan grüne Triebe

Ein Forscher erbohrt Moosproben aus den tieferen Schichten des Permafrosts © P. Boelen

Rekordverdächtige Wiederauferstehung: Ein 1.500 Jahre lang im antarktischen Permafrost konserviertes Moos ist spontan wieder zum Leben erwacht: Als Forscher Proben dieses antarktischen Mooses in eine warme, helle Umgebung brachten, wuchsen ihm frische grüne Triebe. Ein neues Wachstum nach so langer Zeit war bisher von keiner anderen Pflanze bekannt, wie die Forscher im Fachmagazin „Current Biology“ berichten.

Moose können auch unter den Extrembedingungen der Polarregionen und des Hochgebirges überleben – in Regionen, in denen andere Pflanzen rar werden. Denn längere Perioden der Trockenheit oder Kälte überdauern sie in einer Art Ruhezustand, der sogenannten Cryptobiose. Allerdings hat auch die Dauer der Cryptobiose ihre Grenzen, so dachte man jedenfalls bisher. „Bei getrocknetem Moos aus Herbarien oder gefrorenen Proben sind bisher maximal 20 Jahre beobachtet worden“, erklären Esme Roads von der University of Reading und ihre Kollegen. Setzte man die vermeintlich toten Moospflanzen nach dieser Zeit wieder in warme, feuchte Nährböden, bildeten sie wieder frische Triebe.

Im Freiland fanden Forscher erst im letzten Jahr Moospflanzen, die sogar 400 Jahre lang unter einem Gletscher vergraben waren. Diese ließen sich aber erst dann wieder zu neuem Wachstum bewegen, als die Wissenschaftler die Pflanzen pürierten und den Zellbrei auf speziellen Nährmedien kultivierten.

Es gibt aber keine Berichte über ein natürliches Neuausschlagen von so altem oder älterem Material, wie Roads und ihre Kollegen betonen. Nur von Mikroben kenne man ähnliche Fähigkeiten zum Wiederauferstehen nach sogar mehr als zehntausend Jahren im Permafrostboden. Bei mehrzelligen Organismen sei derartiges aber nicht bekannt.

Auf Signey Island im Südpolarmeer liegt unter der aktiven Moosschicht noch ein Meter gefrorenes Moos. Dieses ist schwärzlich verfärbt und galt daher als tot. © P. Boelen

Proben aus dem Permafrost

Dass Moose deutlich länger lebensfähig bleiben als bisher angenommen, zeigt nun ein Fund der Forscher auf Signey Island im Südpolarmeer. Dort haben Moose der Art Chorisodontium aciphyllum im Laufe der Jahrtausende meterdicke, dichte Teppiche gebildet. Dabei bestehen die oberen ein bis drei Zentimeter aus noch grünen, aktiv wachsenden Moospflanzen, darunter liegt eine bis in 23 Zentimeter Tiefe reichende Lage aus noch ungefrorenen, aber bereits bräunlich verfärbten Pflänzchen.

Noch weiter unten beginnt der Permafrost, hier sind die Moos-Schösslinge dunkelbraun bis fast schwarz verfärbt und ständig gefroren. Die Forscher entnahmen Proben aus dieser untersten Schicht, die dabei zutage geförderten Moose waren 1.533 bis 1.697 Jahre alt, wie Radiokarbon-Datierungen ergaben.

Grüne Triebe aus vermeintlich totem Material

Das Erstaunliche: Als Roads und ihre Kollegen diese völlig verfärbten, scheinbar toten Pflänzchen auftauten, begannen neue, grüne Triebe zu wachsen – und das ohne eine besondere Behandlung. „Wir haben wenig anderes getan als die Moosprobe sehr sorgfältig zu zerschneiden“, erklärt der Seniorautor Peter Convey vom British Antarctic Survey. Die Moosstücke wurden nur in eine Klimakammer bei normalen Temperaturen und Lichtbedingungen gelegt.

Nach 22 Tagen waren die ersten frischen Triebe sichtbar. Auch die Wurzeln der Moose zeigten nach dem Auftauen neues Wachstum, wie die Forscher berichten. „Die Moose waren im Prinzip nur in einem sehr langenhaltenden Frostschlaf“, erklärt Convey. Das erstaunliche Wiedererwachen der tiefgefrorenen Moose belegt, dass diese Pflanzen sehr viel länger in der Cryptobiose überdauern können als bisher gedacht.

„Ein solches spontanes Weiterwachsen nach so langer Zeit wurde bisher bei keinem anderen Moos und bei keiner anderen Pflanze nachgewiesen“, sagen die Forscher. Und die gut 1.500 Jahre sind vermutlich nicht einmal das Limit, wie sie betonen. Es gebe eindeutig das Potenzial für ein noch längeres Überleben. „Diese Möglichkeit aber eröffnet einen ganz neuen Überlebens-Mechanismus und ein Refugium für einen Hauptakteur der Lebenswelt der Polarregionen“, so Roads und ihre Kollegen. (Current Biology, 2014; doi: 10.1016/j.cub.2014.01.053)

(Cell Press, 18.03.2014 – NPO)

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