Herzstück der Technik ist ein münzgroßer Chip mit zehntausend Mikrolinsen. Damit wird das Tier in einer einzigen Aufnahme jeweils aus unterschiedlichen Winkeln gleichzeitig abgebildet. Ein Computer-Algorithmus rekonstruiert die räumliche Position des Lebewesens und seiner Nervenstruktur aus dieser Winkelinformation. Aus einzelnen Bildern werden damit dreidimensionale Daten rekonstruiert.
„Genau diese Möglichkeit ist unabdingbar, um zu verstehen, wie die beachtlichen Leistungen des Gehirns bei der Verarbeitung von Sinnesreizen oder der Planung von Bewegungsabläufen zustande kommen“, betont Vaziri. „Der Grund dafür liegt in der enormen Dichte der Vernetzung von Nervenzellen im Gehirn. Dadurch tragen einzelne Neuronen meist keine Information, sie ist vielmehr im Zustand des gesamten Systems kodiert.“
3D-Information aus nur einem Bild
„Bisher musste man räumliche Objekte punktweise abtasten, nun ersparen wir uns das Scannen in mehreren Ebenen“, erklärt Robert Prevedel, einer der Erstautoren der Studie. „Wir können mit einem einzigen Bild ohne jegliches mechanisches Scanning den gesamten Raum aufnehmen.“ Der Zustand des untersuchten Netzwerks aus Nervenzellen wird auf einen Schlag erfasst, zahlreiche Bilder hintereinander liefern eine Filmaufnahme der Hirnaktivitäten. Die zeitliche Auflösung ist damit wesentlich höher als bei bisherigen Methoden. Außerdem lassen sich wesentlich größere Ausschnitte als zuvor effektiv untersuchen.
Dieses Video zeigt das gesamte Gehirn des Zebrafischs über einen Zeitraum von 4 Minuten (Zeitraffer). Aktivitäten der einzelnen Neuronen sind an Helligkeitsveränderungen erkennbar. Nach wenigen Sekunden wird dem Fisch ein abstoßender Geruch präsentiert, worauf vermehrte Aktivität im Geruchszentrum sichtbar ist.© IMP
Erfolgreich angewandt haben die Forscher ihre Methode bisher bei Fadenwürmern und Zebrafischlarven, die als Modellorganismen weit verbreitet sind. Das Nervensystem des Fadenwurms C. elegans besteht aus nur rund 300 Neuronen. Mit ihrer neuen Technologie konnten die Wissenschaftler nicht nur die Aktivität des Gehirns erfassen, sondern auch alle anderen Nervenverbindungen, etwa zu den Muskeln.
Simultane Aktivität von 100.000 Nervenzellen
Der Zebrafisch ist schon komplizierter: Das Gehirn der Larven umfasst etwa 100.000 Nervenzellen. Wie beim Menschen feuern sie Nervenpulse im Millisekunden-Bereich. Die Forscher stimulierten rund 500 Nervenzellen im Riechorgan der Larven mit vergorener Fischbrühe – ein äußerst abstoßendes Aroma für diese Tiere. Gleichzeitig erfassten sie simultan die Gesamtaktivität des Gehirns. Sie konnten dabei Aktivität in über 5.000 Nervenzellen im Gehirn feststellen, die – vom Riechorgan ausgehend -Nervensignale erhielten.
„Im Vergleich zu den Würmern finden wir beim Zebrafisch Verhältnisse vor, die denjenigen beim Menschen stärker ähneln“, kommentiert Vaziri den entscheidenden Fortschritt. „Wir hoffen daher, mit unserer Methode eines Tages zu verstehen, wie das Gehirn Informationen repräsentiert und diese verarbeitet, um Entscheidungen zu treffen. Letztlich wollen wir damit den vom Gehirn benutzten Algorithmen auf die Spur kommen.“ Rechenmodelle aus solchen Algorithmen könnten sich dann zukünftig auch auf lernfähige Maschinen lassen. Die Gehirnprozesse liefern dann die direkte Vorlage für künstliche Intelligenz.
(Nature Methods, 2014; doi: 10.1038/nmeth.2964)
(IMP – Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie GmbH, 19.05.2014 – AKR)
19. Mai 2014