Ganztägige Betreuung, aber falsche Ernährung? Die meisten Kindertagesstätten sind nicht in der Lage, kindgerechtes und ausgewogenes Essen anzubieten. Das zeigt nun eine Studie der Bertelsmann Stiftung. In zwei Dritteln der Kitas gibt es zu viel Fleisch, zu wenig Obst und Gemüse und zu schlechte Qualität. Offenbar fehlt es dazu vor allem an Geld. Die Autoren der Studie fordern darum einheitliche Regeln und Finanzierungsmodelle.
Mittlerweile werden mehr als 1,8 Millionen Kinder in Deutschland ganztägig in Kindestagesstätten betreut, und es werden jedes Jahr mehr. Auch ihr Mittagessen erhalten diese Kinder in der Kita. Ob die dortige Verpflegung auch gesund und ausgewogen genug ist, hat die Bertelsmann Stiftung in einer bundesweiten Studie untersucht. Experten der Stiftung befragten 1.082 Kitas aus allen Bundesländern über die angebotene Verpflegung. Diese Daten bewerteten sie anhand des wissenschaftlich begründeten Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).
Verpflegung selten berücksichtigt
Das Ergebnis der Studie ist ernüchternd: Nur etwa ein Drittel der Kitas versorgt die Kinder mit Essen, das dem anerkannten DGE Standard entspricht. Das hat vor allem finanzielle Gründe – die meisten Kitas sind schlicht und einfach nicht entsprechend ausgestattet. Die Verpflegung wird bei der Finanzausstattung der Kitas selten berücksichtigt.
Vielerorts sehen die Küchen aus wie in einem Privathaushalt, einen ausgewiesenen Speiseraum gibt es in nicht einmal jeder dritten Kita. Nur ein Drittel der Kitas beschäftigt hauswirtschaftliches Fachpersonal. Die übrigen zwei Drittel der Betreuungsstätten lagern die Verpflegung an Catering-Betriebe aus und lassen das Essen anliefern. Aber nur jeder zehnte dieser Caterer bietet speziell auf den Bedarf von Kindern ausgerichtete Mittagessen an.
Entsprechend dürftig ist oft auch das angebotene Essen: Der Studie zufolge gibt es in nur zwölf Prozent der Kitas oft genug Obst, nur bei 19 Prozent stehen ausreichend Salat oder Rohkost auf dem Speiseplan. Fisch scheint nach wie vor ein Kinderschreck beim Essen zu sein: Nur rund ein Drittel der Kitas erfüllen hier den DGE-Standard. Genau anders herum sieht es dagegen beim Fleisch aus – drei von vier Kitas bieten es zu häufig an.
Keine einheitlichen Standards
Eine einfache Lösung für das Dilemma ist nicht in Sicht: Es gibt keine bundesweiten verbindlichen Vorgaben für die Planung und Finanzierung des Kita-Essens. Auch die meisten Bundesländer haben keine einheitlichen Regeln, von der Planung der Küchen bis zum hauswirtschaftlichen Personal und den Lebensmittelkosten. Deutlich wird dies bei den Beträgen, die Eltern für die Verpflegung ihrer Kinder zahlen: Sie reichen von 75 Cent bis sechs Euro pro Mahlzeit. Der Durchschnittswert innerhalb der Studie liegt bei 2,40 Euro – zu wenig für ausreichende Qualität.
Denn dem DGE-Standard zufolge kostet ein ausgewogenes, kindgerechtes Mittagessen mindestens vier Euro. Wenn jedes Kind, das in seiner Kita isst, täglich ein gesundes Mittagessen erhalten soll, müssten jährlich 1,8 Milliarden Euro bundesweit aufgewendet werden. Das sind bis zu 750 Millionen Euro mehr als Eltern heute ausgeben.
Qualität hängt von Zuschüssen ab
Damit hängt die Qualität des Mittagessens der Kinder entscheidend von den Zuschüssen der jeweiligen Träger oder der Kommune ab. Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, fordert darum einheitliche Standards im ganzen Bundesgebiet: „Bund, Länder, Kommunen, Träger und Eltern müssen sich verbindlich über die Finanzierung einer ausgewogenen Mittagsmahlzeit verständigen, damit jedes Kind in der Kita gesund verpflegt werden kann.“
Aktuelle bundesweite Studien weisen auf ein grundsätzlich bedenkliches Essverhalten von Kindern und Jugendlichen und die Folgen schlechter Ernährung hin: Bereits neun Prozent der Drei- bis Sechsjährigen sind übergewichtig, knapp drei Prozent sogar krankhaft fettleibig, so eine Untersuchung des Robert-Koch-Instituts. Mit zunehmendem Alter steigt der Anteil der Übergewichtigen weiter an. „Die Mehrheit aller Kita-Kinder isst inzwischen in ihrer Kita. Politik sollte diese Chance nutzen und gesundes Aufwachsen für alle Kinder sicherstellen“, sagt Dräger.
(Bertelsmann Stiftung, 02.06.2014 – AKR)