Linkshändig durch Hormone? Forscher haben ein seltsames Phänomen beobachtet: Im Winter werden mehr linkshändige Jungen geboren als zu jeder anderen Jahreszeit. Den Grund vermuten sie im Geschlechtshormon Testosteron. Denn dieses beeinflusst die vorgeburtliche Hirnentwicklung – und seine Präsenz im Mutterleib schwankt mit den Jahreszeiten.
Schreiben, eine Kaffeetasse halten, eine Computermaus bedienen oder die Saiten einer Gitarre zupfen – Tätigkeiten wie diese erledigen die meisten Menschen mit der rechten Hand. Knapp zehn Prozent der Bevölkerung allerdings sind Linkshänder. Sie sind im Alltag oft benachteiligt: Von Scheren über Türklinken bis Tastaturen sind viele Gebrauchsgegenstände in der Regel auf rechtshändigen Gebrauch optimiert.
Hat Linkshändigkeit hormonelle Ursachen?
Warum aber haben manche Menschen eine Vorliebe für die „andere“ Hand? Ob die Linkshändigkeit genetisch bedingt ist, ist bislang nicht hinreichend geklärt. Frühere, teilweise umstrittene Studien deuteten jedoch darauf hin, dass Hormone während der Entwicklung im Mutterleib eine wichtige Rolle dabei spielen, welche Hand man später bevorzugt.
Das männliche Geschlechtshormon Testosteron hemmt demnach während dieser Zeit die Entwicklung der linken Hirnhälfte. Diese ist bei Rechtshändern die dominante Seite des Gehirns, bei Linkshändern gibt dagegen die rechte Hirnhälfte den Ton an. Ein höherer Testosteronspiegel während bestimmter Phasen der Embryonalentwicklung könnte daher eine Tendenz zur Linkshändigkeit fördern – und genau das scheint der Fall zu sein, wie die Studie von Psychologen um Ulrich Tran von der Universität Wien zeigt.
Leichter Überschuss bei Männern
Die Wissenschaftler untersuchten insgesamt fast 13.000 Studienteilnehmer in zwei unabhängigen Stichproben aus Österreich und Deutschland. Dabei fanden sie als erstes einen Unterschied zwischen den Geschlechtern: 8,8 Prozent der Männer waren Linkshänder, bei den Frauen waren nur 7,5 Prozent linkshändig. Der leichte Überschuss bei den Männern lässt sich nach Angaben der Forscher mit dem höheren Testosteronspiegel des männlichen Fötus erklären.
Doch damit nicht genug: Einen besonders hohen Anteil an Linkshändern fanden die Wissenschaftler bei den in den Wintermonaten geborenen Männern. Ein Geburtstag im November, Dezember und Januar bedeutete für die männlichen Studienteilnehmer in 10,5 Prozent der Fälle Linkshändigkeit. Dem gegenüber stehen nur 8,2 Prozent bei einem Geburtsdatum im Rest des Jahres.
Tageslicht beeinflusst Testosteron-Spiegel
Auch diese Verteilung konnten die Pschologen mit dem Testosteron in Verbindung bringen. Allerdings liegt die tatsächliche Ursache nicht in der dunklen Jahreszeit – im Gegenteil: „Der Jahreszeiteneffekt der Händigkeit hat seine vermutliche Ursache aber nicht in der Dunkelheit der Monate November bis Jänner, sondern in der Helligkeit der Monate Mai bis Juli, ein halbes Jahr zuvor“, so Tran. Denn Tageslicht ist einer der äußeren Faktoren, die zu einer höheren Testosteron-Ausschüttung bei der Mutter führen können. Das wiederum wirkt sich auch auf das ungeborene Kind aus.
Die neue Studie untermauert damit die Theorie, dass Linkshändigkeit hormonelle Ursachen hat. Der Effekt der Jahreszeit auf die Linkshändigkeit bei Männern ist zwar gering, aber aufgrund der großen Anzahl an Studienteilnehmern können die Wissenschaftler ihn bestätigen. Den genauen Wirkmechanismus des Testosterons auf die Entwicklung von Linkshändern sollen künftige Forschungsarbeiten aufklären.
(Cortex, 2014; doi: 10.1016/j.cortex.2014.04.011)
(Universität Wien, 02.07.2014 – AKR)