Erbe vom ausgestorbenen Vetter: Tibeter tragen ein Gen, dass ihnen hilft, mit der dünnen Höhenluft zurechtzukommen. Wie Genanalysen jetzt zeigen, stammt dieses Gen vom Denisova-Menschen, einer noch rätselhaften Frühmenschenart. Erst die urzeitlichen Seitensprünge halfen den Vorfahren der Tibeter dabei, sich an das Hochgebirge anzupassen, so die Forscher im Fachmagazin „Nature“. Dies ist der erste Beleg dafür, dass solche Kreuzungen mit ausgestorbenen Menschenarten unseren Vorfahren bei der Besiedelung neuer Umwelten halfen.
Im Gegensatz zu Bewohnern des Flachlands sind die Tibeter gut an die dünne Luft und extremen Bedingungen des Himalaya angepasst. Dabei hilft ihnen ein spezielles Gen, EPAS1. In seiner normalen Variante steigert es die Menge an roten Blutkörperchen in großen Höhen zu stark. Dadurch verdickt das Blut und Herzinfarkte, Bluthochdruck und erhöhte Kindersterblichkeit sind die Folge. Vor kurzem zeigte ein Genvergleich jedoch, dass die Tibeter eine ganz eigene Variante des EPAS1-Gens besitzen. Sie steigert den Hämoglobinanteil im Blut trotz der großen Höhe nur leicht und vermeidet so die negativen Nebenwirkungen der Normalvariante.
Weltweite Genvergleiche
Emilia Huerta-Sánchez von der University of California in Berkeley und ihre Kollegen haben nun diese Genvariante bei 40 Tibetern und 40 Han-Chinesen genauer analysiert und sie mit der DNA-Sequenz von mehr als 1.000 weiteren Menschen verschiedener Bevölkerungsgruppen und Populationen verglichen. Ihr Ziel: Sie wollten herausfinden, wann und wie diese genetische Anpassung entstanden ist – und wer sie möglicherweise noch besitzt.
Wie die Analysen zeigten, tragen heute 87 Prozent der Tibeter diese Hochgebirgsversion von EPAS1 in ihrem Erbgut. Unter den Han-Chinesen, die eng mit den Tibetern verwandt sind, sind es dagegen nur neun Prozent, wie die Forscher berichten. Ihrer Ansicht nach spricht dies dafür, dass diese Genvariante vielleicht schon vor der Trennung dieser beiden Völker entstand. Weil sie aber nur für die im Hochgebirge lebenden Tibeter nützlich war, führte die Selektion dazu, dass sie sich im Laufe der Zeit bei diesen ausbreitete.