Schwermetall im Meerwasser: Die Belastung des Oberflächenwassers der Ozeane mit Quecksilber ist seit der Industriellen Revolution um das Dreifache angestiegen. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Forscherteam in einer neuen Studie. Die Daten sollen auch helfen, die Bedeutung des giftigen Schwermetalls in der Nahrungskette aufzuklären, schreiben die Forscher im Fachmagazin „Nature“.
Quecksilber ist ein faszinierendes Element: Es ist das einzige bei Raumtemperatur flüssige Metall, und Teile der glänzenden Tropfen können sogar verdampfen. Allerdings ist das Schwermetall auch hochgiftig: Quecksilberverbindungen im Körper blockieren die Arbeit der Enzyme, reichern sich mit der Zeit an und führen auf Dauer zu schweren Vergiftungserscheinungen. Quecksilber kommt natürlich vor, es gelangt aber auch in großen Mengen aus industriellen Prozessen in die Umwelt: Kohleverbrennung, Zementherstellung und teilweise auch der Abbau von Gold sind nur einige Quellen.
Umweltverschmutzung oder natürliche Quelle?
Umso überraschender ist, wie wenig bislang über die Verteilung von Quecksilber in der Umwelt bekannt war. Insbesondere in den Ozeanen, am Ursprung vieler Nahrungsketten, ist es wichtig, den Einfluss menschlicher Aktivitäten zu kennen. „Wenn wir den Ausstoß von Quecksilber in die Umwelt und in die Nahrung, die wir essen, regulieren wollen, dann sollten wir zunächst wissen, wie viel davon da ist und wie viel die Menschheit jedes Jahr hinzu fügt“, sagt Carl Lamborg von der Woods Hole Oceanographic Institution. Der Chemiker beschäftigt sich seit 24 Jahren mit dem Schwermetall. „Im Moment gibt es aber noch keine Möglichkeit, in einer Wasserprobe den Unterschied zwischen Quecksilber aus Umweltverschmutzung und Quecksilber aus natürlichen Quellen festzustellen.“
Diese Wissenslücke haben Lamborg und seine Kollegen nun zumindest verkleinert – mit dramatischen Ergebnissen: Im relativ flachen Wasser der Ozeane, also bei Tiefen von weniger als hundert Metern, hat sich die Konzentration an Quecksilber über die letzten 150 Jahre verdreifacht. Die Ozeane als Ganzes enthalten etwa 60.000 bis 80.000 Tonnen Quecksilber, das allein durch Umweltverschmutzung ins Wasser gelangte. Das sind etwa zehn Prozent mehr als zu vorindustriellen Zeiten.
Phosphat und Kohlendioxid als Marker
Die Forscher kamen auf diese Werte, indem sie zunächst den Stoffkreislauf des Quecksilbers anhand von Phosphat simulierten: Phosphat ist ein Nährstoff, der genau wie Quecksilber von Meeresorganismen aufgenommen werden kann, nachdem er sich mit organischen Stoffen verbindet. Diese sogenannte Bioverfügbarkeit, also die Menge der tatsächlich aufnehmbaren Formen eines Stoffes, ist ein entscheidender Faktor. Nur darüber lassen sich verlässliche Werte abschätzen, wie viel Quecksilber tatsächlich in die Nahrungskette gelangt. Für gesetzliche Regulierungen wie beispielsweise Grenzewerte in Fisch und Meeresfrüchten sind diese Zahlen unerlässlich.
Die Wissenschaftler bestimmten also das Verhältnis von Phosphat zu Quecksilber in Wasserproben aus mehr als 1.000 Metern Tiefe. Dieses Wasser ist seit der Industriellen Revolution im 19 Jahrhundert nicht mit der Atmosphäre in Kontakt gekommen – daher konnten die Forscher hier die natürlich vorkommende Menge an Quecksilber bestimmen.
Allerdings war dies noch nicht genug: Die Wissenschaftler benötigten auch noch einen Marker, der sich zuverlässig mit menschengemachten Quellen des Quecksilbers in Verbindung bringen lässt. Die Wahl fiel auf eins der am besten studierten Gase der letzten 40 Jahre – das Kohlendioxid (CO2). Ein sehr großer Teil des Quecksilbers stammt aus denselben oder zumindest ähnlichen Quellen wie das CO2. Messwerte für CO2 in den Ozeanen gibt es in zahlreichen Datenbanken, aus praktisch allen Meerestiefen. Aus dem Verhältnis zum Quecksilber lassen sich damit auch dessen Verteilung und Menge aus menschengemachten Quellen berechnen. „Nun haben wir einen Weg, um die Anteile natürlicher und menschlicher Quellen im Lauf der Zeit voneinander zu trennen“, erklärt Lamborg.
Endlich verlässliche Zahlen
Die so erzielten Resultate stimmen auch mit den Mustern überein, die sich durch die globale Zirkulation der Meeresströmungen ergeben. So ist die Belastung im Nordatlantik am deutlichsten sichtbar, da hier erst das belastete Oberflächenwasser in die Tiefe sinkt. In den Tropen und im Nordostpazifik dagegen sind die Messwerte niedrig, da es Jahrhunderte dauert, bis das Quecksilber mit dem Wasser aus der Tiefe bis in diese Regionen zirkuliert.
Auch die zukünftige Entwicklung können die Forscher bereits abschätzen: „Bei der Zunahme die wir in der jüngeren Vergangenheit gesehen haben, könnte sehr gut im Lauf der nächsten 50 Jahre noch einmal dieselbe Menge wie in den vergangenen 150 jahren hinzu kommen,“ erklärt Lamborg. „Wir wissen bloß noch nicht genau, was das für Fische und marine Säugetiere bedeutet. Wahrscheinlich enthalten manche Fische nun mindestens dreimal so viel Quecksilber wie vor 150 Jahren, aber es könnte auch mehr sein. Jetzt haben wir aber verlässliche Zahlen, mit denen wir weiter arbeiten können.“
(Nature, 2014; doi: 10.1038/nature13563)
(Woods Hole Oceanographic Institution, 07.08.2014 – AKR)