Das Eis der Antarktis reagiert nicht nur sensibel auf den Klimawandel, auch ferne Erdbeben können ihm zusetzen. So löste das starke Erdbeben des Jahres 2010 in Chile auch Beben und Risse im Eisschild der Antarktis aus, wie Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichten. Ob diese seismischen Fernwirkungen auch die Fließgeschwindigkeit der Gletscher und die Stabilität der Eisdecke beeinflussen, muss nun noch geklärt werden.
Ein schweres Erdbeben verwandelte im Jahr 2010 die chilenische Region Maule in ein Katastrophengebiet. Mit einer Stärke von 8,8 auf der Moment-Magnituden-Skala war dieses Beben das sechststärkste seit Beginn der seismischen Aufzeichnungen im Jahr 1900. Die Verschiebungen entlang der Plattengrenze und die freigesetzte Energie veränderten die Massenverschiebung der Erde und sogar die Tageslänge des Planeten. Zudem lösten die Erdstöße auch Beben im rund 10.000 Kilometer nördlicher gelegenen Kalifornien aus.
Seismische Ohren im ewigen Eis
Zhigang Peng vom Georgia Institute of Technology in Atlanta und seine Kollegen haben nun eine weitere Fernwirkung dieses Starkbebens festgestellt. Demnach scheinen solche Erdbeben nicht nur Aktivitäten in anderen Bereichen der Erdkruste auszulösen, sondern auch die Kryosphäre zu beeinflussen – und damit auch das antarktische Eisschild. Die Auswirkungen ferner Beben auf das Antarktis-Eis war bisher nicht wissenschaftlich untersucht worden, denn die rauen Umweltbedingungen und die Unzugänglichkeit vieler Gebiete machten detaillierte Analysen solcher Prozesse nahezu unmöglich.
In den letzten Jahren ist jedoch eine Infrastruktur entstanden, die solche geophysikalischen Analysen ermöglicht: Rund um die antarktischen und grönländischen Eisschilde haben Wissenschaftler eine Vielzahl moderner Messinstrumente installiert, die sich ausbreitende Erdbebenwellen registrieren. Mithilfe dieser Technik haben Peng und Kollegen nun systematisch nach möglichen Folgeerscheinungen des Chile-Erdbebens im antarktischen Eis gesucht.