Die Kinderlähmung ist immer noch nicht besiegt: Bei Opfern einer Epidemie im Kongo aus dem Jahr 2010 fanden Wissenschaftler ein mutiertes Virus, das den sonst so zuverlässigen Impfschutz unterlaufen konnte. Auch in Deutschland hätte dieser Erreger vermutlich zahlreiche Menschen anstecken können, berichten die Forscher in den „Proceedings of the National Academy of Sciences“. Weitere sorgfältige Impfprogramme sollen das verantwortliche Polio-Virus jedoch in Schach halten und sogar völlig ausrotten können.
Die Kinderlähmung gilt hierzulande als ausgerottet: Wirksame Impfungen gegen das verantwortliche Polio-Virus haben die Krankheit weltweit zurückgedrängt, so dass jedes Jahr nur noch wenige hundert Menschen daran erkranken. In Europa, Amerika und großen Teilen Asiens ist die Kinderlähmung verschwunden – gänzlich besiegt ist das Virus aber noch nicht: Vor allem von ärmeren Regionen und Krisengebieten gehen immer noch regelrechte Epidemien aus. Im vom Bürgerkrieg gezeichneten Syrien beispielsweise ist die Zahl der Polio-Infektionen zuletzt stark angestiegen. Auch in Nigeria und Indien befinden sich noch Rückzugsgebiete des Virus.
Epidemie trotz Impfung?
Eine besonders schwere Epidemie fand im Jahr 2010 im Kongo statt: 445 Menschen infizierten sich nachweislich mit Kinderlähmung, die meisten davon junge Erwachsene. Bei 209 von ihnen endete die Krankheit tödlich eine überraschend hohe Sterblichkeitsrate. Besorgniserregend ist außerdem, dass viele der Infizierten offensichtlich geimpft waren: Knapp die Hälfte der Patienten erinnerte sich daran, die vorgeschriebenen drei Impfdosen erhalten zu haben. Nachlassende Sorgfalt beim Impfen war also nicht der Grund für die schwere Epidemie.
Wissenschaftler um Jan Felix Drexler vom Universitätsklinikum Bonn haben zusammen mit Medizinerkollegen aus Gabun nach den tatsächlichen Ursachen geforscht. „Wir haben Polio-Viren aus Verstorbenen isoliert und genauer untersucht“, erklärt Drexler. „Der Erreger trägt eine Mutation, die seine Gestalt an einer entscheidenden Stelle verändert.“ Resultat: Die durch die Impfung erzeugten Antikörper können das mutierte Virus kaum noch erkennen und außer Gefecht setzen.