Unsere Milchstraße ist Teil eines gewaltigen Superclusters von Galaxien, Gasfilamenten und Leerräumen. Dieses riesige verzweigte Gebilde haben Forscher nun erstmals kartiert und dabei festgestellt: Der Laniakea getaufte Supercluster ist weitaus größer als gedacht und erstaunlich komplex gegliedert, wie sie im Fachmagazin „Nature“ berichten. 3D-Modelle des Superclusters und ein Video zeugen von seiner grandiosen Schönheit.
Die Materie ist in unserem Universum nicht völlig gleichmäßig verteilt, sondern bildet großräumige Strukturen: Cluster, Filamente und fast leere Raumregionen. In größerem Maßstab als den Clustern jedoch lässt sich nur schwer zuordnen, wer mit wem enger verbunden ist. „Spektroskopische Durchmusterungen enthüllen Netzwerke von Strukturen, die aber nicht durch klare Grenzen voneinander abgesetzt sind“, erklären Brent Tully von der University of Hawaii in Honolulu und seine Kollegen.
Wo hört ein Supercluster auf – und wer gehört dazu?
Gebiete mit einer höheren Dichte von Galaxien bezeichnen Astronomen zwar als Supercluster, doch eine klare Definition dieses Begriffs fehlte bisher. Auch der Supercluster, zu dem die Milchstraße und ihre lokale Gruppe von Galaxien gehören, ließ sich daher bisher nicht kartieren oder umgrenzen. Daten einer neuen Himmelsdurchmusterung und eine raffinierte Auswertemethode haben nun das bisher Unmögliche möglich gemacht: die Vermessung unseres heimatlichen Superclusters.
Die Forscher nutzten die Eigenbewegung von Galaxien als Anzeiger für deren Zugehörigkeit zu einem Supercluster. Denn sind Galaxien durch Anziehungskräfte miteinander oder mit einem gemeinsamen Zentrum verbunden, dann beeinflusst dies auch ihre Bewegung. Zeigt die Eigenbewegung etwa in die gleiche Richtung, dann spricht dies für eine Zugehörigkeit zum gleichen Supercluster, ist sie entgegengesetzt, dann könnte hier eine Grenze zwischen zwei benachbarten Superclustern verlaufen.
Um allerdings die Eigenbewegung eines entfernten Objekts herauszufinden, muss zunächst die Ausdehnung des Weltalls herausgerechnet werden. Dies geht jedoch nur, wenn man die genaue Entfernung der Galaxie kennt. Genau diese Informationen lieferte den Forschern der bisher größte Katalog galaktischer Bewegungen, Cosmicflows-2 Survey. Er gibt für rund 8.000 Galaxien an, wie weit sie entfernt liegen. Tully und seine Kollegen kombinierten dies mit Daten zur Geschwindigkeit dieser Galaxien und konnten so deren Eigenbewegung ermitteln.
100.000 Galaxien und der „Große Attraktor“
Das Ergebnis ist die erste dreidimensionale Karte unseres heimischen Superclusters. Die Forscher tauften diese 520 Millionen Lichtjahre große Region Laniakea – zusammengesetzt aus den hawaiianischen Wörtern für Himmel (lani) und unermesslich (akea). Sie umfasst neben der Milchstraße und dem Virgo-Galaxienhaufen auch den sogenannte „Local Void“, eine besonders leere, galaxienarme Raumregion in unserer Nachbarschaft.
Zusammen entspricht die in diesem Supercluster konzentrierte Masse 10 hoch 17 Sonnenmassen, verteilt auf rund 100.000 Galaxien, wie die Forscher berichten. Und alle Galaxien und Regionen im Supercluster sind über mehrere verästelte Ströme miteinander verbunden. Das Zentrum bildet dabei der sogenannte „Große Attraktor“, ein Gebiet im Weltall, auf das sich die meisten Mitglieder unseres Superclusters hinzubewegen scheinen. Er bildet quasi die Talsohle in unserem heimischen „Becken der Anziehung“.
Milchstraße im Außenbezirk
Unsere Milchstraße liegt eher in einem Vorort des Superclusters, an einem der langen verästelten Ströme von Laniakea. Nur wenig weiter außen beginnt einer der großen leeren Räume des Alls, eine Region mit kaum Galaxien oder anderen Materieansammlungen. Umgeben ist unser heimischer Supercluster von drei weiteren Superclustern, Shapley, Coma und Perseus-Pisces. (Nature, 2014; doi: 10.1038/nature13674)
(Nature, 04.09.2014 – NPO)