Wann breiteten sich unsere Vorfahren in Zentraleuropa aus? In Österreich gefundene Steinwerkzeuge deuten darauf hin, dass moderne Menschen bereits vor etwa 43.500 Jahren dort siedelten. Das ist deutlich früher als nach bisherigen Funden angenommen, wie ein internationales Forscherteam im Magazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ berichtet. Der Fund bestätigt auch das Aufeinandertreffen von modernem Mensch und Neandertaler in Europa.
Dem momentanen Stand der Forschung zufolge besiedelten moderne Menschen Europa vor wenigstens 40.000 Jahren und begannen den Neandertaler zu verdrängen. Möglicherweise setzte dieser Prozess allerdings schon deutlich früher ein. „Leider gibt es kaum Skelettreste des modernen Menschen aus der jüngeren Altsteinzeit, sodass wir andere Funde nutzen müssen um herauszufinden, wann die ersten modernen Menschen erschienen“, sagt Bence Viola vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. „Es sind beispielsweise Überreste des Homo sapiens gefunden worden, die eindeutig der Kultur des Aurignacien zugeordnet werden können. Daher denken wir, dass es sich bei dieser Kultur um einen guten Indikator für die Präsenz des modernen Menschen handelt.“
Menschliche Kultur und Schnecken als Informanten
Diese archäologische Kultur haben Viola und Kollegen nun neu datieren können: Die Wissenschaftler fanden an der Fundstätte der berühmten Venus von Willendorf in Österreich Steinwerkzeuge, die sie der Kultur des Aurignacien zuordnen. „In Willendorf konnten wir das frühe Aurignacien auf ein Alter von 43.500 Jahren datieren, um einiges früher als anderswo“, so Viola. Damit sind die Werkzeuge älter als andere entsprechende Funde.
Die Steinwerkzeuge wurden in Sedimentschichten gefunden, die im Laufe verschiedener Warm- und Kaltperioden während der letzten Eiszeit entstanden sind. Für die Einschätzung der Eigenschaften des damalige Lebensraums nutzten die Forscher kuriose Informanten: Schnecken. „Mollusken sind für die Rekonstruktion prähistorischer Landschaften hervorragend geeignet, weil sie sehr empfindlich auf Änderungen der Temperatur und Feuchtigkeit reagieren. Schon bei kleinsten Klimaveränderungen kommen also andere Arten von Schnecken vor“, sagt Viola. Die Auswertungen zeigten, dass die klimatischen Bedingungen während der frühen Siedlungsperiode des modernen Menschen einem kühlen steppenähnlichen Klima mit Nadelholzwäldern entlang von Flusstälern entsprachen.