Nano-Fußbälle in Echtzeit: Wissenschaftler haben fußballförmige Kohlenstoffmoleküle live beobachtet, wie sie sich zu ultraglatten Schichten ordnen. Zusammen mit theoretischen Modellrechnungen lässt sich dieser Prozess nun erstmals grundlegend verstehen, schreiben die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“. Damit sollen zukünftig auch gezielt konstruierte Nanostrukturen aus diesen Molekülen möglich sein.
Nano-Strukturen aus Kohlenstoff faszinieren die Wissenschaft mit ihren vielseitigen Eigenschaften: Sie sind elektrisch leitfähig, unglaublich stabil und lassen sich geradezu maßgeschneidert anfertigen. Mit Kohlenstoff-Nanoröhrchen oder dem schichtförmigen Graphen sind solche Dinge wie biegsame Bildschirme, neuartige Batterien und effiziente Lampen machbar. Die ersten bekannten Formen solcher Nano-Strukturen waren die fußballförmigen „Buckyballs“ aus jeweils 60 Kohlenstoffatomen. Benannt sind diese Buckminster-Fullerene nach den geodätischen Kuppeln des US-Architekten Richard Buckminster Fuller – und ganz wie diese Kuppeln haben auch die Fullerene interessante Struktureigenschaften.
Eine glatte Lage nach der anderen
Wissenschaftler um Sebastian Bommel von der Humboldt-Universität und Nicola Kleppmann von der Technischen Universität Berlin interessierten sich dafür, wie sich diese Fußball-Moleküle zu Schichten zusammenlagern. Mit der Röntgenquelle PETRA III am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY)in Hamburg gelang es ihnen sogar, diesen Prozess in Echtzeit zu verfolgen. Aus einem Dampf von Buckyballs schieden die Forscher die Moleküle an einem Substrat ab und analysierten sie mit Hilfe der Röntgenstreuung.
Interessanterweise entsteht dabei eine Lage nach der anderen: Die Kohlenstoffmoleküle wachsen vorwiegend in Inseln mit einer Höhe von nur einem Molekül und bilden kaum Türmchen. „Die erste Lage ist zu 99 Prozent fertig gewachsen, bevor das erste Prozent der zweiten Lage entstanden ist“, berichtet DESY-Forscher Sebastian Bommel von der an der Humboldt-Universität in Berlin. Auf diese Weise bilden sich extrem glatte Schichten.
Schichten wachsen im Minutenabstand
„Damit wir die Wachstumsprozesse wirklich live beobachten konnten, mussten wir die Oberfläche auf molekularer Ebene schneller vermessen als eine einzelne Schicht wächst, was ungefähr im Minutenabstand stattfindet“, erläutert Koautor Stephan Roth vom DESY. „Dafür ist die Röntgenstreuung besonders geeignet, mit der sich das Wachstum detailliert verfolgen lässt.“
Umfangreiche Computersimulationen vervollständigten dann das Bild, so dass die Forscher nun präzise beschreiben können, wie sich die Fußballmoleküle in Schichten zu einer Gitterstruktur zusammenfügen. „Unsere Ergebnisse liefern fundamentale Einblicke in die molekularen Wachstumsprozesse eines Systems, das ein wichtiges Bindeglied zwischen der Welt der Atome und derjenigen der Kolloide darstellt,“ betont Kleppmann.
Entscheidende Parameter für maßgeschneiderte Nanostrukturen
Dank der Kombination aus experimentellen Beobachtungen und Modellrechnungen konnten die Wissenschaftler erstmals die für ein derartiges System entscheidenden Energieparameter zugleich bestimmen. „Durch diese Werte verstehen wir jetzt erstmals wirklich, wodurch das Wachstum von Nanostrukturen bestimmt wird“, betont Bommel.
„Wenn man in die Zukunft denkt, ist es vorstellbar, mit diesem Wissen gezielt das Wachstum der Strukturen zu beeinflussen.“ Mit entsprechend eingestellter Temperatur ließen sich so etwa Inseln mit festgelegter Größe ablagern, was für C60-basierte organische Solarzellen interessant sein könnte. Mit denselben Methoden wollen die Forscher in Zukunft auch das Wachstum weiterer molekularer Systeme erkunden. (Nature Communications, 2014; doi: 10.1038/ncomms6388)
(Deutsches Elektronen-Synchrotron (DESY), 06.11.2014 – AKR)