Unbekannter Gott: Archäologen haben in einem antiken Heiligtum in der Türkei ein römisches Relief mit einem rätselhaften Götterbild darauf entdeckt. Die Stele zeigt einen bärtigen Gott mit Fruchtbarkeitssymbolen und stammt aus römischer Zeit, einige Elemente des Bildes weisen aber auf sehr viel ältere Wurzeln dieser Gottheit hin, wie die Forscher berichten. Wer er war und von wem er verehrt wurde, ist bisher unbekannt.
Nahe der Stadt Gaziantep in der Südost-Türkei liegt ein bedeutendes Heiligtum der Antike. Hier wurde zunächst der mesopotamische Wettergott Hadad verehrt, dann, nach Eroberung der Region durch die Römer, der Gott Jupiter Dolichenus. Er stellt eine Abart des römischen Gottes Jupiter dar, der damals vor allem von Soldaten im römischen Reich verehrt wurde. Bereits seit 2001 sind Archäologen eines internationalen Teams dabei, die Relikte dieser Anlage auszugraben. Bereits 2013 entdeckten sie mehr als 600 Stempel- und Rollsiegel verschiedenster Herkunft.
Bärtige Gottheit mit astralen Symbolen
Und auch in diesem Jahr machten die Archäologen wieder einen aufsehenerregenden und mysterösen Fund: In den Überresten des christlichen Klosters, das im Frühmittelalter auf den Ruinen des antiken Heiligtums errichtet worden war, stießen sie auf eine 1,5 Meter hohe Stele mit dem Relief eines unbekannten Gottes. Die Stele war als Stützpfeiler in der Klostermauer verbaut und damit nach der Christianisierung quasi zweckentfremdet worden.
Die Basaltstele zeigt eine Gottheit, die aus einem Blattkelch erwächst. Dessen langer Stiel steigt aus einem Kegel auf, der mit astralen Symbolen verziert ist. Aus den Flanken des Kegels wachsen ein langes Horn und ein Baum empor, den der Gott mit seiner Rechten umfasst. „Das Bild ist erstaunlich gut erhalten“, berichtet der Archäologe Michael Blömer von der Universität Münster. „Doch bevor wir den Gott genau identifizieren können, sind noch aufwändige Recherchen nötig.“ Die Forscher vermuten aber, dass es sich um einen Fruchtbarkeitsgott handelt.
Römisches Relief, aber ein viel älterer Gott?
Das Besondere an diesem Bild eines unbekannten Gottes: Obwohl dieses Götterrelief aus römischer Zeit stammt, knüpft die Darstellung offenbar an sehr viel ältere Traditionen an, wie die Forscher berichten. So verweisen ikonografische Details wie die Gestaltung des Bartes oder die Haltung der Arme auf eisenzeitliche Darstellungen aus dem frühen 1. Jahrtausend vor Christus.
Damit deutet dieser Fund darauf hin, dass alte religiöse Traditionen in dieser Region lange erhalten blieben. „Die Stele kann davon erzählen, wie altorientalische Traditionen über die Epochen weiterlebten, von der Eisenzeit bis in die römische Zeit“, erklärt Grabungsleiter Engelbert Winter von der Universität Münster. Der Berg Dülük Baba Tepesi, auf dem das antike Heiligtum liegt, war Jahrtausende lang ein besonderer Ort: Nach dem Tempel mesopotamischer Götter errichteten die Römer hier ihr Hauptheiligtum für den Jupiter Dolichus, später wurde hier ein christliches Kloster gebaut, das bis in die Kreuzfahrerzeit existierte.
Der Schwerpunkt der diesjährigen Grabungsarbeiten lag eigentlich auf der Erforschung des mittelalterlichen Klosters. „Die gut erhaltenen Ruinen des Klosterkomplexes erlauben uns zahlreiche Rückschlüsse darüber, wie das Leben und die Kultur in dieser Region zwischen Spätantike und Kreuzfahrerzeit ausgesehen hat“, so Winter. Der Fund der römischen Stele in der Klostermauer kam daher eher unerwartet, zeigt aber, wie nahtlos hier eine Religion auf die nächste folgte.
(Westfälische Wilhelms-Universität Münster, 10.11.2014 – NPO)