Heute gegen 14:15 Uhr hat die ESA mehr zur vielleicht spannendsten Frage des gestrigen Abends berichtet: Steht der Lander Philae fest auf der Oberfläche von 67P/Churyumov–Gerasimenko? Und wie gut ist sein Halt? Die gute Nachricht: Philae scheint vorerst halbwegs stabil zu stehen. Die schlechte: Er ist dabei fast um 90 Grad auf die Seite gekippt und berührt nur mit zwei Beinen den Untergrund.
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Antworten lieferten vor allem die ersten Bilder, die Philae heute früh zur Erde zurückfunkte. Dieses erste Panorama ist zusammengestellt aus sechs Bildern, die das Instrument CIVA an Bord des Landers erstellt hat. Sie zeigen die unmittelbare Umgebung von Philae. Demnach steht der Lander tatsächlich nicht waagerecht, sondern schräg in einem steilen Winkel, angelehnt an einer Art Wall, eine Erhebung mit steiler Kante. Zwei seiner Beine berühren dabei den Untergrund, eines ragt ohne Kontakt frei in die Höhe.
Funktionen müssen angepasst werden
„Was wir nun herausfinden müssen ist, was diese Position für uns bedeutet“, sagte Koen Geurts vom Philae-Team des DLR. „Wir müssen nun schauen, wie wir die nominellen Funktionen modifizieren können, damit der Lander trotzdem seine wissenschaftlichen Messungen durchführen kann.“ Zurzeit arbeiten die Mitarbeiter des Philae-Teams fieberhaft daran, die entsprechenden Befehle zu erstellen, um sie dann zum Kometen schicken zu können. Klar scheint auch, dass der Lander weniger Sonnenlicht erhält als erhofft, denn das steile Kliffbeschattet ihn. Zurzeit läuft Philae noch auf Batterie.
Weit außerhalb des geplanten Landegebiets
Und auch der jetzige Standort von Philae ist nicht ganz so wie geplant: „Wir sind sogar mehr zurückgeprallt als gestern angenommen: Philae hat noch zweimal wieder abgehoben, bevor er bei dritten Mal dann stehen blieb“, erklärte Stefan Ulamec vom DLR. Bei der ersten Landung setzt Philae ziemlich genau im geplanten Landegebiet auf, prallte dann aber mit rund 38 Zentimeter pro Sekunde wieder ab. Philae hob rund einen Kilometer hoch ab und drehte sich dabei um sich selbst, wie Geurts berichtete. Erst nach zwei Stunden landete er wieder, nur um dann noch einmal für einen kleineren Sprung abzuheben. Er steht deshlab jetzt deutlich außerhalb des geplanten Landegebiets.
Trotz der Unsicherheiten hat Philae bereits mit einigen seiner wissenschaftlichen Arbeiten angefangen. So hat sein Radarinstrument CONSERT begonnen, gemeinsam mit den Instrumenten von Rosetta das Innere des Kometen zu durchleuchten und so eine Art Querschnitt des „schmutzigen Schneeballs“ zu erstellen. Auch die Kameras arbeiten offenbar genauso gut wie erwartet, die ersten Aufnahmen seien von bester Qualität.
Rückblick: Die Landung
„Philae ist angekommen und redet mit uns“ – mit diesen Worten verkündete gestern Abend der Chef des Lander-Teams, Stefan Ulamec, die Landung der Raumsonde Philae auf dem Kometen 67P/Churyumov–Gerasimenko. Allerdings: Wie sicher die Sonde tatsächlich steht, bleibt unklar. Denn die Harpunen, die Philae in der Kometenoberfläche verankern sollten, wurden nicht abgefeuert. Die Sonde könnte extrem leicht wieder abheben und umhertrudeln.
Am 12. November um Punkt 17:03 Uhr war es soweit: Die im Kontrollzentrum der ESOC in Darmstadt versammelten Mitarbeiter der ESA empfingen das gespannt erwartete Lebenszeichen der Landeeinheit Philae, weitergeleitet über die Muttersonde Rosetta. Entsprechend groß waren Erleichterung und Jubel. „Unsere ehrgeizige Rosetta-Mission hat sich nun einen Platz in den Geschichtsbüchern gesichert“, sagte Jean-Jacques Dourdain, Generaldirektor der ESA. „Es ist nicht nur das erste Rendezvous mit Umkreisung eines Kometen, sondern auch die erste Mission, die einen Lander auf dessen Oberfläche bringt.“
Doch schon unmittelbar vor der Abkopplung von der Muttersonde Rosetta hatten die ESA-Techniker ein Problem mit einem der kleinen Schubdüsen registriert, die den Rückstoß beim Abschießen der Verankerungsharpunen ausgleichen und den Lander zurück auf die Oberfläche drücken sollten. Obwohl nicht klar war, ob die Düsen auslösen würden, entschloss man sich, Philae abzukoppeln und die Landung einzuleiten.
Landung erfolgt – aber…
Nach der Abtrennung von Rosetta in einer Höhe von 22,5 Kilometer vom Kometenkern entfernt, näherte sich Philae dem Kometen. Unmittelbar vor der Ladung verharrte die Sonde wie geplant in wenigen Kilometern Höhe über der Oberfläche, um genauere Informationen über den Untergrund der Landefläche zu ermitteln. Dann senkte sich Philae mit etwa einem Meter pro Sekunde weiter ab und setzte dann mit dem dreibeinigen, stoßdämpferartig federnden Landegestell auf.
Die ersten Nachrichten des Landers lösten große Erleichterung aus: „Wir sind auf dem Kometen, die Harpunen wurden abgefeuert und die Schraubenanker an den Landebeinen sind in der Oberfläche“, berichtete Philae-Missionsleiter Stefan Ulamec vom DLR. Alles schien nach Plan gelaufen zu sein. Doch die weiter eintreffenden Daten machten stutzig. Demnach waren die Stoßdämpfer der Landebeine nur sehr schwach eingedrückt worden – was bedeuten kann, dass der Untergrund extrem weich und nachgiebig ist.
Anker nicht gefeuert
Wenig später dann verkündete Koen Geurts vom Philae-Team des DLR eine weitere beunruhigende Nachricht: „Wir haben einige Sorgen, die Anker haben nicht gefeuert“, berichtete er. Weil die Schwerkraft auf dem Kometen extrem gering ist, besteht ohne diese Ankerharpunen die Gefahr, dass Philae sich trotz der Eisschrauben an den Beinen wieder von der Oberfläche löst. Denn die auf der Erde 100 Kilogramm wiegende Sonde hat auf dem Kometen nur ein Gewicht von rund einem Gramm.
Gegen 20:00 Uhr gestern Abend dann gab es neue Informationen. Demnach ist es nicht ausgeschlossen, dass die Landeeinheit nicht fest auf dem Kometen steht, sondern knapp darüber schwebt oder sich immer wieder kurz ablöst. „Vielleicht sind wir nicht einmal gelandet, sondern gleich zweimal“, erklärte Jean-Jacques Dourdain. Aber man bekomme Signale und Daten, wenn auch fluktuierend, was darauf hindeutet, dass der Lander zumindest in Ordnung zu sein scheint.
Wie geht es weiter?
Prinzipiell lassen sich die Anker von Philae auch nachträglich noch manuell auslösen, so dass dies auch jetzt noch geschehen kann. Doch die Missions-Mitarbeiter wollen nun zunächst die Telemetriedaten der Sonde auswerten, um auszuschließen, dass Philae vielleicht dafür zu schräg steht. „Wichtig ist jetzt zu wissen, ob wir sicher stehen oder nicht“, sagte Geurts gestern Abend. „Wir haben daher entschieden, die Anker noch nicht zu feuern.“
Ohne ausreichenden Halt jedoch sind auch einige wissenschaftlichen Projekte gefährdet. So soll die Sonde Bohrungen in die Kometenoberfläche durchführen – doch dabei könnte sie sich ohne die Anker selbst ins All katapultieren.
Mehr zur Rosetta-Mission und zur Kometenlandung lesen Sie in unserem Special
(ESA, 13.11.2014 – NPO)