Schnelle Knie: Auffallend viele Weltklasse-Sprinter kommen aus Jamaika. Ein Grund für ihre Schnelligkeit könnte jetzt ein internationales Forscherteam aufgedeckt haben: Die Knie der jamaikanischen Spitzenläufer sind auffallend symmetrisch. Dies macht das Laufen effizienter und könnte daher eine Vorteil für die Sprinter bedeuten, so die Forscher im Fachmagazin „PloS ONE“.
Unter den Sprintern von Weltklasse sind auffällig viele Jamaikaner. Was aber macht sie so schnell? Ist es Training, Doping oder doch eine bestimmte Eigenschaft ihres Körpers? Robert Trivers von der Rutgers University und seine Kollegen tippten auf letzteres und haben vor allem bei einem Körperteil nach Spuren gesucht: dem Knie. Schon früher deuteten Beobachtungen darauf hin, dass es für einen Sprinter günstig sein könnte, wenn seine Knie möglichst symmetrisch sind.
„Wir haben uns daher gefragt, ob der Grad der Symmetrie vielleicht auch hinter der Lauffähigkeit der besten Sprinter der Welt steckt“, erklärt Trivers. Gemeinsam mit Kollegen aus Deutschland, Großbritannien und Jamaika untersuchte er daher die Knie von 74 jamaikanischen Weltklassesprintern und von einer Kontrollgruppe von 116 jamaikanischen Nichtläufern.
Je symmetrischer die Knie, desto schneller der Lauf
Das Ergebnis: Die Sprinter hatten tatsächlich auffällig symmetrische Knie. Besonders ausgeprägt war dies bei den 100-Meter-Läufern: Diejenigen mit den symmetrischsten Knien hatten auch die besten Laufzeiten. Die Kniesymmetrie machte selbst nach Berücksichtigung aller anderen Faktoren rund fünf Prozent der Laufleistung aus, wie die Forscher berichten.
Man kann sich leicht erklären warum: „Laufen und Rennen sind grundsätzlich symmetrische Bewegungen, daher werden sie begünstigt, wenn auch die mit ihnen verknüpften Merkmale symmetrisch sind“, so Trivers und seine Kollegen. Ein symmetrischerer Körperbau macht die Bewegungen effizienter und schonender, weil weniger einseitige Belastungen auftreten. Zudem gilt in der Biologie eine ausgeprägte Symmetrie – beispielsweise der beiden Gesichtshälften – als Zeichen für eine hohe Fitness.
Veranlagung oder Trainingseffekt?
Es stellt sich allerdings die Frage, ob die Läufer von Anfang an symmetrischere Knie hatten und deshalb so gute Läufer geworden sind, oder aber ob das intensive Training und der Muskelaufbau im Laufe der Zeit auch die Knie so verändert hat, dass sie symmetrischer geworden sind. Zumindest ein Indiz gibt es, das für eine Prädestination spricht: Frühere Studien haben bereits gezeigt, dass Kinder, die im Alter von acht Jahren symmetrische Knie haben, später bessere Läufer sind als Gleichaltrige mit weniger symmetrischen Gelenken.
„Soweit wir wissen, ist dies das erste Mal, dass man ein Merkmal identifiziert hat, dass sowohl das zukünftige Sprinttempo erkennen lässt als auch die momentane Leistung der besten erwachsenen Sprinter“, sagt Trivers. Es stelle sich aber die Frage, warum ausgerechnet Jamaikaner besonders symmetrische Knie haben sollen. Eine eindeutige Antwort darauf gibt es nicht.
Erbe westafrikanischer Vorfahren?
Die Forscher vermuten aber, dass es einen Zusammenhang zu einem weiteren, für gute Sprinter typischen Merkmal geben könnte: Schon länger ist bekannt, dass Menschen, deren Vorfahren aus Westafrika stammen, besonders für schnelles Laufen prädestiniert sind. Denn sie besitzen von Natur aus mehr sogenannte „Fast-twitch“-Muskeln, die besonders für kurze intensive Kraftanstrengungen geeignet sind.
Auch viele Jamaikaner stammen von Westafrikanern ab, die im Zuge des Sklavenhandels in die Karibik gebracht wurden und sich dann in der Neuen Welt mit Einheimischen und anderen Einwanderern mischten. Wie die Forscher erklären, ist aus der Biologie bekannt, dass Tiere, die auf gemischte Vorfahren zurückgehen, häufig besonders symmetrische Körpermerkmale tragen – auch dies ein Ausdruck ihrer durch die Mischung höheren Fitness.
Möglicherweise könnten daher auch die symmetrischeren Knie durch die gemischte Herkunft der Jamaikaner erklärt werden. Ob dies aber tatsächlich so ist, wollen die Forscher nun weiter untersuchen. (PloS ONE, 2014; doi: 10.1371/journal.pone.0113106)
(Rutgers University, 18.11.2014 – NPO)