Positive Verstärkung statt Strafe: Wer sein Kind zur Ehrlichkeit erziehen möchte, sollte ihm nicht mit negativen Konsequenzen für eine Lüge drohen. Denn das bewirkt das genaue Gegenteil, wie ein Experiment kanadischer Forscher nun belegt: Die Kinder lügen noch mehr. Weitaus wirksamer war es dagegen, wenn an das Sozialgefühl der Kinder appelliert wurde und sie positive Bestärkung erhielten.
Lügen ist in unserer Gesellschaft verpönt – wenn man mal von höflichem Flunkern absieht. Denn Vertrauen bringt man nur einem ehrlichen Mitmenschen gegenüber auf. Entsprechend werden schon Kinder dazu erzogen, beispielsweise nicht zu schummeln. Lügen sie dann doch, werden sie geschimpft oder sogar bestraft – das soll sie lehren, dass dieses Verhalten falsch ist.
„Dreh dich nicht um!“
Ob diese klassische Erziehungsmaßnahme überhaupt funktioniert, haben nun Victoria Talwar von der McGill University in Montreal und ihre Kollegen in einem Experiment mit 372 Kindern zwischen vier und acht Jahren untersucht. Die kleinen Studienteilnehmer wurden dafür einzeln in einen Raum geführt. Hinter ihnen auf einem Tisch lag ein Spielzeug. Die Forscher verließen nun kurzzeitig den Raum, baten die Kinder zuvor aber, sich nicht zu dem Spielzeug umzudrehen, bis sie wiederkommen.
Die Kinder wurden dann eine Minute lang in dem Raum allein gelassen, eine versteckte Kamera filmte ihr Verhalten. Bei ihrer Rückkehr stellten die Forscher dem Kind nur eine einfache Frage: „Hast du dich umgedreht und das Spielzeug angeschaut, während ich draußen war?“ Einigen Kinder erklärten sie zudem, dass es eine Strafe gebe, wenn sie schummelten. Andere erhielten stattdessen positive Anreize: „Ich würde mich sehr freuen, wenn du ehrlich bist!“ oder „Du fühlst dich viel besser, wenn du ehrlich antwortest.“