Disco-Blitze gegen Feinde: Wenn es im Dunkel der Unterwasserwelt plötzlich bläulich blitzt wie in einer Disco, dann ist höchstwahrscheinlich eine kleine rote Muschel schuld. Denn sie erzeugt wahre Lichtsalven, um ihre Fressfeinde abzuschrecken. Wie sich jetzt zeigt, nutzt sie dafür ein zuvor noch nie bei Muscheln gefundenes Prinzip: Ein Gewebe mit spezieller Nanostruktur reflektiert und konzentriert das wenige Unterwasserlicht so effektiv, dass die Blitze entstehen.
Wer in den dunklen Unterwasserhöhlen des Indo-Pazifik taucht, wähnt sich manchmal wie in einer Disko: Helle Lichtblitze leuchten in schneller Folge auf. Ihr Urheber ist die orange-rote Muschel Ctenoides ales. Warum und wie die Muschel diese erstaunlich intensiven Lichtsalven erzeugt, blieb jedoch bisher ein Rätsel. Lindsey Dougherty von der University of California in Berkeley und ihre Kollegen haben diese rätselhafte „Disco-Muschel“ daher nun erstmals näher untersucht.
Einzigartige Nanostruktur statt Biolumineszenz
Weil die Muschel helle Lichtblitze selbst an relativ dunklen Standorten abgibt, vermuteten die Forscher zunächst, dass das Licht per Biolumineszenz erzeugt – also ähnlich wie einige Rippenquallen oder Leuchtkäfer. Doch Analysen des Muschelgewebes per Elektronenmikroskopie enthüllten ein ganz anderes, für Muscheln einzigartiges Prinzip:
Die Muschel produziert das helle Blitzen mit Hilfe von speziellen Geweben an ihrem Mundsaum, die wie ein extrem effektiver Spiegel wirken: Auf einer Seite reflektiert und fokussiert eine Nanostruktur das Licht, auf der anderen absorbiert sie es. Durch schnelles, abwechselndes Einrollen und wieder Strecken blitzt die reflektierende Schicht immer wieder kurz auf. Das Erstaunliche daran: Das reflektierende Gewebe ist so effektiv, dass es selbst das wenige bläuliche Dämmerlicht in einer Unterwasserhöhle zu einem hellen Lichtblitz konzentriert.
Bei Feindannäherung – Blitzen
Aber wozu erzeugt die Muschel diese Lichtblitze? Um mit Artgenossen zu kommunizieren wohl eher nicht – die Sehorgane der Muschel sind zu schlecht, um selbst dieses helle Blitzen zu erkennen. Wozu aber dann? Um das herauszufinden, führte Dougherty Verhaltensexperimente mit dem zweischaligen Weichtier durch. Sie versetzte das Wasser im Becken mit den Muscheln mit Phytoplankton, der bevorzugten Nahrung dieses Filtrierers. Wie sich zeigte, erhöhte die Muschel bei Anwesenheit der Algen tatsächlich ihren Blitztakt, theoretisch wäre es daher möglich, dass die Muschel auf diese Weise die Algen anziehen will.
Aber noch ein weitere Motivation für das Discolicht ergaben die Versuche: Näherte sich ein Fressfeind der Muschel, beispielsweise ein Fangschreckenkrebs oder ein Oktopus, dann begannen die Muscheln ihre Blitzrate sogar zu verdoppeln. Gleichzeitig gaben sie einen stark schwefelhaltigen Schleim ab, der die Räuber zusätzlich abschreckte, wie Dougherty berichtet.
Ihrer Ansicht nach sind die einzigartigen Lichtblitze der Muschel Ctenoides ales daher weniger ein prachtvolles „Hier bin ich“-Signal, als vielmehr ein Abschreckungsmittel zu ihrem Schutz. ( 2015 annual conference of the Society of Integrative and Comparative Biology)
(Society for Integrative and Comparative Biology (SICB), 05.01.2015 – NPO)