Klima

Meeresspiegel: Grob verschätzt

Der bisherige Basiswert für die Messungen lag zu hoch, die Pegel steigen schneller

Nahaufnahme eines schmelzenden Eisbergs © Aleria Jensen NMFS/AKR/ AKRO/ PRD

Anstieg steiler: Der Meeresspiegel stieg zwischen 1900 und 1990 um 30 Prozent langsamer als bisher gedacht. Das zeigt eine neue Auswertung von Messdaten. Das aber bedeutet, dass sich der Meeresspiegelanstieg seither sogar noch stärker beschleunigt hat als bisher angenommen. Auch Prognosen für die Zukunft müssen nun angepasst werden, wie Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.

Die globale Erwärmung lässt die Meeresspiegel ansteigen – das ist heute unstrittig. Für die Modelle und Berechnungen gilt dabei die Zeit von 1900 bis 1990 meist als Basiswert. Doch die Messdaten aus dieser Zeit haben Lücken und stammen meist von Gezeiten-Messstationen. Das hat einen Nachteil: „Die Gezeiten-Stationen liegen alle entlang der Küsten, daher sind große Bereiche des Ozeans in diesen Schätzungen gar nicht erfasst“, erklärt Erstautorin Carling Hay von der Harvard University in Cambridge.

Alte Daten – neu ausgewertet

Die Meereshöhen dieser Zeit wird daher anhand dieser lückenhaften Daten quasi hochgerechnet, es gibt nur Schätzwerte. Heute dagegen wird der Meeresspiegel per Satellit vermessen, dabei lassen sich alle Meeresgebiete gleichermaßen gut erfassen. Hay und ihre Kollegen haben nun die Schätzwerte des Meeresspiegels vor allem der Zeit von 1900 bis 1990 mit einem neuen Ansatz überprüft.

Die Forscher gingen dabei nicht von den Messwerten der Gezeitenstationen aus, sondern rollten das Ganze von hinten auf: Sie errechneten anhand physikalischer Modelle, wie viel Schmelzwasser von den verschiedenen Eisschilden abgegeben wurde, wie stark sich das Meerwasser thermisch ausdehnte und auch, wie regionale Klimavariationen den Meeresspiegel beeinflussen. Parallel dazu nutzen sie jedoch auch neuere statistische Methoden, um Ausreißer in den alten Messwerten besser zu erkennen und so neue Schätzwerte zu ermitteln.

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30 Prozent niedriger

Das Ergebnis überraschte selbst die Forscher: „Wir hatten erwartet, dass wir für 1900 bis 1990 bei 1,5 bis 1,8 Millimeter Anstieg pro Jahr landen würden, wie andere auch schon“, sagt Hay. Doch das war nicht der Fall. Stattdessen errechneten die Forscher mit beiden Methoden einen um bis zu 30 Prozent langsameren Anstieg für diese Zeitperiode von nur 1,2 Millimeter pro Jahr.

„Das ist ein Problem“, erklärt Eric Morrow von der Harvard University. Denn auch der Meeresspiegel im Basiszeitraum niedriger lag und langsamer anstieg als gedacht: Unstrittig ist, dass die Pegel seither um rund drei Millimeter angestiegen sind. Rechnet man dies um, Dann bedeutet dies, dass der Meeresspiegelanstieg seit dem 20. Jahrhundert sogar noch schneller und stärker erfolgte als bisher angenommen.

Prognosen müssen angepasst werden

Und noch eine Auswirkung hat diese Verschiebung des Basiswerts: „Viele Modelle, die den künftigen Anstieg vorhersagen, nutzen diesen Basiswert als Bezugspunkt“, erklärt Morrow. Wenn aber dieser Bezugspunkt bisher überschätzt wurde, dann waren auch die Modelle bisher nicht korrekt kalibriert. Das könnte im Extremfall bedeuten, dass die bisherigen Prognosen für das 21. Jahrhundert zu niedrig ausfallen und überprüft werden müssen. (Nature, 2014; doi: 10.1038/nature14093)

(Harvard University, 15.01.2015 – NPO)

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