Vulkanischer Anfang: Das Leben auf der Erde könnte in winzigen Gesteinsporen an Meeresvulkanen begonnen haben. Denn die starken Temperaturunterschiede innerhalb dieser Poren fördern die Entstehung und Vervielfältigung von komplexen Biomolekülen, wie deutsche Wissenschaftler herausgefunden haben. Der verantwortliche Effekt lässt sich überraschend einfach im Labor nachstellen – die Vulkane der jungen Erde hätten aber noch besser funktioniert, schreiben die Forscher im Magazin „Nature Chemistry“.
Wie und wo die ersten Lebensformen vor über dreieinhalb Milliarden Jahren auf der frühen Erde entstanden, ist unklar. Eine entscheidende Voraussetzung für die Entstehung von Leben ist aber, dass sich kleine organische Moleküle zu komplexen Strukturen zusammenschließen, die genetische Informationen speichern und sich selbst reproduzieren können.
Dazu ist jedoch eine ausreichende Konzentration solcher Moleküle nötig – und in der „Ursuppe“ der frühzeitlichen Ozeane kamen sie wohl nur vereinzelt vor. Deshalb gehen aktuelle Theorien davon aus, dass dieser Prozes in winzigen Poren im Tongestein, in kleinen heißen Tümpeln an Geysiren oder sogar in Schichtsilikaten oder ähnlichen Orten entstanden sein könnte.
Meerwasser, Vulkangestein und Hitze
Physiker um Dieter Braun von der Ludwig-Maximilians-Universität München haben nun einen weiteren Mechanismus vorgeschlagen, durch den sich die ersten Biomoleküle genug angereichert haben könnten, um zu komplexeren Einheiten zu werden. Demnach hätten die Vulkane der jungen Erde genau die richtigen Bedingungen geliefert, zumindest diejenigen in der Nähe der Ozeane.
Wenn Meerwasser, Gestein und Hitze zusammenkommen, bilden offene, wasserdurchspülte Gesteinsporen einen günstigen Reaktionsraum für die Entstehung erster Erbmoleküle wie RNA oder DNA. Ähnliche Bedingungen finden sich auch an hydrothermalen Schloten in der Tiefsee. „Entscheidend ist, dass die Gesteinspore einseitig erhitzt ist, sodass die der Wärmequelle zugewandte Seite der Pore deutlich wärmer ist als die andere“, erklärt Braun.
Biomoleküle, die vom Meerwasser in die Pore gespült werden, werden dann durch den Temperaturunterschied in der Pore festgehalten und aufkonzentriert. Diese „Molekül-Falle“ basiert auf der sogenannten Thermophorese, nach der sich Moleküle entlang eines Temperaturgefälles von der warmen zur kalten Seite bewegen. Auch offene Poren halten so insbesondere langkettige Moleküle wie die frühen Biopolymere zurück. Gerade bei der Evolution von Erbmolekülen ist dies wichtig, weil auf längeren Molekülen mehr genetische Informationen gespeichert werden können.
Nachbau im Labor
Diesen Effekt haben die Wissenschaftler nun im Labor nachgewiesen: „Wir haben eine natürliche Pore mit winzigen Glaskapillaren nachgebaut, einseitig geheizt und mit Wasser durchspült, das DNA-Bausteine unterschiedlicher Länge enthielt“, beschreibt Braun. „Unter diesen Bedingungen werden nur die langen DNA-Bausteine tatsächlich in der Pore festgehalten“.
Und die DNA-Moleküle werden nicht nur gegen den Strom in der Pore festgehalten, sie reproduzieren sich auch: In den heißeren Zone der Pore schmelzen doppelsträngige DNA-Moleküle auf und teilen sich im Minutentakt in ihre beiden Stränge. Durch das Temperaturgefälle strömt die Lösung kreisförmig zwischen den kühleren und heißeren Bereichen der Pore. Dort wird die DNA mit neuen Bausteinen gefüttert und erneut zu einem Doppelstrang ergänzt. Wenn mehr DNA entsteht als die Pore zurückhalten kann, verlassen neu replizierte Moleküle die Pore und verbreiten sich in benachbarten Porensystemen.
Überraschend elegant und einfach
Die Forscher haben damit erstmals im Labor ein System nachgebaut, das eine autonome Evolution von immer komplexeren Molekülen ermöglicht – also direkt die Voraussetzungen für die Entstehung von Leben simuliert. Die geheizten Poren im Vulkangestein der jungen Erde haben vermutlich sogar noch besser gewirkt als die Glaskapillaren im Labor, wie die Forscher erklären: Die im Gestein eingeschlossenen Metalle haben nämlich eine hundertfach höhere Wärmeleitfähigkeit als Wasser.
Diese Wärme lieferte die nötige Energie, um dem ersten Leben auf die Sprünge zu helfen: „Leben bedeutet immer thermodynamisches Nichtgleichgewicht“, erläutert Braun. „Deswegen muss die Entstehung ersten Lebens durch eine externe Energiequelle angestoßen werden – etwa durch einen Temperaturunterschied. Dass dies so elegant und einfach möglich ist, hat uns selbst sehr überrascht.“ (Nature Chemistry, 2015; doi: 10.1038/nchem.2155)
(Ludwig-Maximilians-Universität München, 28.01.2015 – AKR)