Das längste, jemals lebende Tier hat gerade um 40 Prozent seiner Größe verloren. Eine neue Bewertung des Riesendinosauriers Seismosaurus hat ihn von gut 50 Meter auf nur noch 33,5 Meter zurechtgestutzt. Grundlage für die neue Schätzung war eine veränderte Anordnung der Schwanzwirbel im Skelett des Tieres. Die neue Sicht auf den Dinosaurier könnte aber auch neuen Aufschluss auf seine Verwandtschaftsverhältnisse geben und ihn möglicherweise sogar seinen Namen kosten: Forscher ordnen ihn jetzt eher der Dinosauriergattung Diplodocus zu.
Obwohl deutlich kürzer, raubt die neue Länge Seismosaurus nicht unbedingt seinen Titel als längstes Tier der Erde, so Spencer Lucas, Paläontologe des New Mexico Museum für Naturgeschichte und leitender Wissenschaftler bei der Neubewertung des Sauriers. Noch immer ist Seismosaurus knapp länger als das größte lebende Tier, der Blauwal. Alle heute bekannten Details über den Seismosaurus beruhen auf fossilisierten Knochen der Hüfte und Teilen des Rückens eines einzigen Skeletts, dass 1979 in alten Flusssedimenten nach San Ysidro in Neumexiko entdeckt worden waren.
“Der Grund ist, dass es sehr, sehr schwer ist, die Länge eines Dinosauriers aus isolierten Knochen zu bestimmen”, erklärt Lucas die Unsicherheiten über die Größe des Tieres. „Diese Schätzungen sind nicht ideal.“ Der Schlüssel für die geänderte Größe von Seismosaurus waren Schwanzwirbel des einzigen, aber unvollständigen Skeletts dieses Tieres. Frühere Forscher hatten die kaudalen Wirbel weit hinten am Schwanz eingeordnet und damit die Länge eher großzügig bemessen.
Um herauszufinden, ob diese ursprüngliche Anordnung korrekt war, vergrößerten Lucas und seine Kollegen im Computer das Skelett des nahe verwandten, aber kleineren Diplodocus und verglichen die Größenverhältnisse der Schwanzwirbel. Und prompt stellten sie fest, dass die an Position 20 bis 27 platzierten Seismosaurus-Schwanzwirbel erheblich besser an die Positionen 12 bis 19 passten. Als Konsequenz verkürzt sich die Schwanzlänge des Sauriers um fast 20 Meter.
Der Vergleich mit Diplodocus hat zudem gezeigt, dass Seismosaurus möglicherweise gar keine eigene Gattung bildet, sondern nur eine besonders große Art der Gattung Diplodocus war. Bestätigt sich dies, wäre eine Änderung des wissenschaftlichen Namens von Seismosaurus hallorum zu Diplodocus hallorum die Folge. Der „erderschütternde“ Name Seismosaurus könnte, so Lucas, ihm aber als eine Art „Bühnename“ erhalten bleiben.
(Geological Society of America, 08.11.2004 – NPO)