Neurobiologie

Der Duft des Händeschüttelns

Beim Händedruck übertragene Duftstoffe dienen offenbar der sozialen Kommunikation

Begrüßung mit Händedruck: Das Händeschütteln überträgt viele Duftstoffe. © freeimages

Handkuss oder fester Händedruck – auf den Duft kommt es an: Nach dem Händeschütteln überprüfen wir den übertragenen Geruch unseres Gegenübers – ganz unauffällig und unbewusst, aber je nach Geschlecht. Viele Säugetiere kommunizieren über Duftsignale, beim Menschen galt dieses Verhalten bislang als wenig ausgeprägt. Wissenschaftler aus Israel haben diese Annahme mit mehreren Experimenten widerlegt, wie sie im Online-Journal „eLife“ beschreiben.

Unser Geruchsinn ist wichtiger, als uns oft bewusst ist: Die Nase ist möglicherweise sogar unser leistungsfähigstes Sinnesorgan, das die meisten verschiedenen Nuancen unterscheiden kann. Allerdings nehmen wir viele Gerüche erst in höheren Konzentrationen bewusst wahr. Aber auch unbewusste Duftnoten haben eine große Bedeutung, beispielsweise bei der Partnerwahl.

Händedruck überträgt zahlreiche Duftstoffe

Derartige Duftsignale gehören bei vielen Tieren zu Kommunikation und sozialer Interaktion dazu: Hunde beschnuppern sich, Gorillas signalisieren Alarmbereitschaft und Mäusemännchen betören duftend ihre Weibchen. Beim Menschen ist die Duftkommunikation dagegen nicht verbreitet. Oder etwa doch?

Das alltägliche Händeschütteln beim Begrüßen könnte ein Überrest von gegenseitigem Beschnuppern sein, vermuteten der Neurobiologe Idan Frumin vom israelischen Weizmann Institute of Science und seine Kollegen. Darum testeten sie zunächst, ob ein Händedruck überhaupt ausreichend Geruchsstoffe übertragen kann: Während sie Studienteilnehmern die Hand schüttelten, trugen die Wissenschaftler Handschuhe. Darauf fanden sie anschließend tatsächlich eine ganze Reihe von Duftstoffen, wie sie auch bei anderen Säugetieren der Kommunikation dienen.

Unauffälliges und unbewusstes Händeschnuppern

Dann folgte das eigentliche Experiment: Die Forscher begrüßten rund 280 Freiwillige entweder mit Händeschütteln oder ohne. Die Begegnungen zeichneten sie mit versteckten Kameras auf. Es zeigte sich, dass die Probanden nach dem Händeschütteln deutlich häufiger an ihren Händen rochen als die Kontrollgruppe. Dies geschah vor allem in eigentlich unauffälligen Gesten wie an der Nase kratzen, sich die Augen reiben oder über die Wangen streichen.

Händedruck-Experiment: Nach dem Händeschütteln schnuppern Probanden an ihren Händen.© Weizmann Institute of Science

Interessanterweise spielt auch das Geschlecht eine große Rolle: Schüttelten Probanden die Hand eines Wissenschaftlers desselben Geschlechts, schnupperten sie länger und mehr als doppelt so häufig an ihrer eigenen geschüttelten Hand. In deutlichem Gegensatz dazu prüften sie nach einem Händedruck mit dem anderen Geschlecht eher ihre andere Hand. „Der Geruchssinn spielt eine besonders wichtige Rolle innerhalb des eigenen Geschlechts, nicht nur mit dem anderen Geschlecht wie bislang angenommen“, bewertet Frumin.

Die Forscher wollten sicher gehen, dass es sich bei den kleinen beobachteten Gesten tatsächlich um eine Geruchsprobe handelt. Viele Menschen fassen sich auch ins reibend oder kratzend ins Gesicht, wenn sie nervös sind. Solche Reaktionen wollten die Wissenschaftler ausschließen. Darum prüften sie auch den Luftstrom in der Nase der Probanden – mit deutlichem Ergebnis: Die Menge der eingeatmeten Luft verdoppelte sich, sobald die Teilnehmer ihre Hand ans Gesicht führten. Sie schnupperten also wirklich daran.

Duftsignale sind wichtiger Bestandteil

In einem weiteren Test versuchte das Forscherteam, die Reaktionen mit „falschen“ Gerüchen zu manipulieren: Ein handelsübliches Unisex-Parfum verstärkte das Schnuppern nach dem Händedruck. Trugen die Wissenschaftler dagegen einen von Geschlechtshormonen abgeleiteten Geruch auf der Hand fanden die anschließenden Riechproben seltener statt. Unterschiedliche Reaktionen auf unterschiedliche Duftstoffe bestätigen den Forschern zufolge, dass bei diesem Verhalten tatsächlich der Geruchssinn zum Einsatz kommt.

„Ein Händedruck unterscheidet sich in Stärke, Dauer und Haltung und vermittelt so unterschiedliche soziale Informationen“, sagt Studienleiter Noam Sobel. Die neuen Resultate wiesen jedoch darauf hin, dass das Händeschütteln ursprünglich auch dem Übermitteln von Duftsignalen diente. „Diese Signale könnten noch immer ein wichtiger, wenn auch unbewusster Bestandteil dieser Geste sein.“ (eLife, 2015; doi: 10.7554/eLife.05154)

(Weizmann Institute of Science, 04.03.2015 – AKR)

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