Präzise genug für Einsteins Zeitverzerrung: US-Forscher haben eine Atomuhr konstruiert, die selbst in 15 Milliarden Jahren nicht eine Sekunde vor oder nach gehen würde. Die auf Strontium-Atomen beruhende Uhr ist so präzise und genau, dass man mit ihr sogar messen kann, ob die Zeit auf Bergen schneller vergeht als im Tal – ein Effekt, den schon Einstein vorhersagte. Damit eröffnet die Atomuhr ganz neue Möglichkeiten der physikalischen Messungen, so die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“.
Seit Einstein wissen wir, dass die Zeit keine absolute Größe ist: Bewegt sich ein Körper mit nahezu Lichtgeschwindigkeit, vergeht für ihn die Zeit langsamer. Und auch durch eine höhere Schwerkraft wird die Zeit gedehnt, beispielsweise in der Nähe eines Schwarzen Lochs. Sogar auf der Erde tritt diese Zeitverzerrung auf, weil auf Berggipfeln die Erdschwerkraft ein bisschen geringer ist als im Tal. Doch bisher war dieser winzige Effekt nicht messbar – die Uhren waren nicht präzise genug.
Strontium-Atome im Laserlicht
Genau das aber könnte sich nun ändern. Denn erstmals haben Forscher nun eine Atomuhr konstruiert, die diese winzigen Zeitverzerrungen messen kann. „Ihre Leistung ist genau genug, um noch die Verzerrung der Zeit durch die Gravitation zu messen, die auftritt, wenn man die Uhr nur zwei Zentimeter von der Erdoberfläche anheben würde“, erklärt Jun Ye vom National Institute of Standards and Technology (NIST).
Er und seine Kollegen haben bereits im letzten Jahr eine neue Atomuhr vorgestellt, die auf Strontium-Atomen statt wie die meisten bisherigen auf Cäsium-Atomen beruht. In dieser Uhr werden einige tausend Strontiumatome extrem heruntergekühlt und in einem optischen Gitter aus Laserlicht gehalten. Dann werden sie mit einem weiteren Laser bestrahlt, der bei einer bestimmten Wellenlänge einen Wechsel des Energiezustands bei den Atomen auslöst. Bei Strontium erfolgt dieser bei einer Frequenz von 430 Billionen Schwingungen pro Sekunde – diese Schwingungszahl gilt damit als das Maß für eine Sekunde.
Genauer und präziser als je zuvor
Jetzt haben die Forscher diese Atomuhr weiter optimiert. Sie ist dadurch dreimal so präzise wie zuvor – in 15 Milliarden Jahren würde sie der tatsächlichen Zeit nicht einmal eine Sekunde hinterherhinken oder vorgehen. Auch die Genauigkeit der neuen Uhr hat sich erhöht – der Wert, der angibt, wie wenig die einzelnen „Ticks“ voneinander abweichen. Hier erreichten die Forscher eine Verbesserung um 50 Prozent.
Die neue Strontium-Uhr ist damit die mit Abstand präzisesten und genaueste weltweit, wie Ye und seine Kollegen berichten. Die neue Atomuhr könnte nicht nur die Genauigkeit von Ortungssystemen verbessern, sie eröffnet auch neue Möglichkeiten, grundlegende physikalische Phänomene wie die Zeitdehnung genauer zu messen.
So könnte man beispielsweise ein Netzwerk solcher Atomuhren einsetzen, um das Schwerefeld der Erde anhand der Zeitverzerrung zu vermessen. „Diese Uhr kommt dem Ziel sehr nahe, für die relativistische Geodäsie nutzbar zu sein“, erklären die Forscher. Auch quantenphysikalische Messungen könnten damit möglich werden. (Nature Communications, 2015; doi: 10.1038/ncomms7896)
(National Institute of Standards and Technology (NIST), 22.04.2015 – NPO)